Die Beugger'sche Drahtseil-Transmission Winterthur-Wülflingen - Mühlenkalender

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Die Beugger'sche Drahtseil-Transmission Winterthur-Wülflingen

Mühlen-Inventar Schweiz > Kanton Zürich > Winterthur ZH
Winterhtur-Wülflingen ZH
Die Beugger'sche Drahtseil-Transmission 
Lage:
Ehem. Drahtseiltransmission Spinnerei Beugger Winterthur-Wülflingen ZH

Turbinenhaus:
Wieshofstrasse 102.19, 8408 Winterthur
CH1903+ / LV95 2'693'810, 1'262'853
WGS 84 (lat/lon) 47.50973, 8.68394
Höhe 410 m

Ehem. Beugger’sche Spinnerei
Wieshofstrasse 102, 8408 Winterthur
CH1903+ / LV95 2'693'876, 1'262'476
WGS 84 (lat/lon) 47.50634, 8.68474
Höhe 417 m

Aus der Geschichte:

Die Geschichte von Vater und Sohn Beugger wiederspiegelt vorzüglich die Entwicklung der Industrialisierung, der Baumwollindustrie und des unerbittlichen Kampfes um die Wasserkraft im 19. Jahrhundert im Kanton Zürich.
Im Weiteren wollen wir vornehmlich der Geschichte der Beugger’schen Wasserkräfte nachgehen.
Die Geschichte lässt sich in drei Phasen unterteilen:
 
1.       Vater Beugger, die Spinnerei und der Kampf um Wasserkräfte
2.       Sohn Beugger, Wasserkraft und Naturkatastrophen
3.       Die Nachgeschichte
3 a)    Von der Spinnerei Beugger zur Klinik Schlosstal
3 b)    Die Wasserkraft der Ernst’schen Schlackenmühle
3 c)    Die Wasserkraft der Ziegelei Keller-Liechti
 
1. Vater Beugger, die Spinnerei und der Kampf um Wasserkräfte
Vater Johannes Beugger (1778-1852) war ein talentierter Erfinder und Konstrukteur. Nach seinen Wanderjahren, die ihn nach Augsburg, Dresden, Prag, Berlin und nach England brachten, richtete er sich in Grüningen eine mechanische Werkstätte ein um allerlei Maschinen zu bauen. Ab 1805 war er Leiter der betriebseigenen Werkstätte der Spinnerei Hard. In dieser Zeit mussten die erforderlichen Maschinen selber hergestellt werden. Durch diese Tätigkeit kam er zu Bekanntschaften mit massgebenden Persönlichkeiten in Wülflingen und erwarb sich ein namhaftes Vermögen. Bald erwachte in dem tatkräftigen Mann der Wunsch, sich selbstständig zu machen.
Eine erste Idee zusammen mit Zimmermeister Jakob Bosshard zur Errichtung einer Spinnerei am Ausfluss der Eulach scheiterte 1817 an grosser Opposition. Vater Beugger liess sich aber nicht von seiner Idee abbringen. Er einigte sich mit Alt Ratsherr Bodmer (von der nachmaligen Wespi-Mühle) dahingehend, dass er das Unterwasser der Bodmer’schen Mühle in einem unterirdischen Kanal zu seinem neuen Standort unterhalb der Mühle leiten konnte. Wieder erwuchs ihm Opposition, da die Gemeinde es gar nicht gerne sah, dass die Landbevölkerung von der strengen Landarbeit in die, nach ihrer Ansicht, leichtere Fabrikarbeit abgezogen wurde. Schliesslich kam aber eine Einigung zustande und 1818 konnte der unterirdische Kanal in Angriff genommen werden, der im Oktober 1819 fertig erstellt war. Das Wohn- und Spinnereigebäude mit der Wasserkraftanlage folgte 1820. Dabei handelte es sich um den heutigen Mittelbau. Die Querbauten wurden 1824-26 gebaut. Die erste Wasserkraftanlage war genau Mittig unter dem Zeittürmchen platziert und bestand aus einem Wasserrad von 11 Schuh (ca. 3.3m) Durchmesser und 4 Schuh (ca. 1.2m) Breite mit 16 PS.

Beugger'sche Fabrik Aufriss
Abb. 1: Querschnitt durch die Beugger’sche Fabrik, hier im Zustand nach 1857 mit der Turbine anstelle des Wasserrades.
Das Unternehmen entwickelte sich so gut, dass in den 1830er Jahren die Energie knapp wurde. Vater Beugger beabsichtigte deshalb, die energieintensive Werkstatt nördlich der Fabrik im Bereich der Eulachmündung auszulagern und sie mit einem eigenen Wasserwerk auszustatten. Wieder provozierte er damit grössere Wasserrechtsstreitigkeiten. Der Preiszerfall der 1830er Jahre und die Wirtschaftskrise der 1840er Jahre waren dann aber der Grund, dass Vater Beugger diese Pläne aufgab.
Als sich zu Beginn der 1850er Jahre eine Erholung der Wirtschaft abzeichnete, erkrankte Vater Beugger und starb schliesslich 1852. Er hatte es trotz allen Krisen zu hohem Ansehen und Reichtum gebracht.

2. Sohn Beugger, Wasserkraft und Naturkatastrophen
Wie sein Vater, war auch Sohn Johannes Beugger (1820-1899) mit vielfältigen Interessen und Fähigkeiten ausgestattet. Wie seinem Vater, blieben auch dem Sohn die beständigen Auseinandersetzungen und Prozesse um die Wasserkräfte nicht erspart. Was dem Sohn Beugger aber abging, war das nötige unternehmerische Glück, das sein Vater in so hohem Masse zuteil geworden war.
Die Fabrik ging 1855 aus der Erbengemeinschaft in Johannes jun. Eigentum über. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung des Wasserrades auf 35-40 PS angewachsen. Den Zeitpunkt des Ersatzes des alten Wasserrades kennen wir nicht. Zu dieser Zeit befanden sich 26 Spinnmaschinen in der Fabrik. Offensichtlich genügte aber die erhöhte Leistung nicht mehr, denn 1857 wurde ihm der Ersatz des Wasserrades durch eine Turbine gestattet (Abb. 1). In der Folge scheiterten auch seine Versuche der Auslagerung der Werkstatt erneut.
Das Preisgefüge in der Baumwollindustrie wurde durch den amerikanischen Sezessionskrieg in den 1860er Jahren durchgeschüttelt und der deutsch-französische Krieg anfangs der 1870er Jahre wirkte sich auf den Geschäftsgang auch nicht förderlich aus. Sohn Beugger musste grosse Darlehen aufnehmen und einen Teil seiner Spinnereimaschinen verkaufen. Dem Wunsch, wenigstens einen Teil der nun leerstehenden Fabrik nun vermieten zu können, stand der chronische Energiemangel im Wege. Nach widerholten längeren Wasserrechtsstreitigkeiten erreichte er 1875 die Bewilligung, vor der Eulachmündung eine neue Wasserkraftanlage mit knapp 80 PS zu bauen und diese Kraft mit einer Drahtseiltransmission in seine Fabrik zu leiten.

Ehem. Drahtseiltransmission Spinnerei Beugger Winterthur-Wülflingen ZH
Abb. 2: Die Situation der Drahtseiltransmission, wie sie sich im Siegfried-Atlas von 1880 präsentiert.
Das leidige Energieproblem schien mit der Inbetriebnahme der Drahtseiltransmission im März 1876 endlich gelöst. Das Schicksal wollte es aber anders. Bereits kurz nach der Inbetriebnahme, im Juni 1876 und dann wiederholt 1778 und 1881 wurde die Anlage durch katastrophale Hochwasser teilweise zerstört. Die Kosten der wiederholten Instandstellung und die entnervten Kündigungen seiner Mieter führten zur Erschöpfung seiner finanziellen Reserven und 1888 schliesslich zum Konkurs.
Sohn Beugger liess den drohenden Konkurs aber nicht untätig auf sich zukommen, sondern versuchte aktiv das Steuer herumzureissen. Bereits 1876 liess er ein Gerät zur Nivellierung von Eisenbahnschienen im Ausland patentieren, er entwickelte eigene Kugellager, baute Eisenbahnvelozipede und tüftelte mit verschiedenen Systemen von Luftschiffen.

Abb. 3: Als Beispiel sei hier die detaillierte Zeichnung von Johannes Beugger (1820-1899) mit dem Titel «Luftschiff nebst Propeller und Abfahrtsstation» vorgestellt. Der Erfinder aus Feuerthalen hinterliess verschiedene Entwürfe und Konstruktionszeichnungen, vor allem für Flugapparate, Flugboote und Motorräder (Quelle Geschäftsbericht Verkahrshaus der Schweiz, 2017)
Aber auch bei diesen Bemühungen verliess ihn das unternehmerische Glück. Die Last der grossen, nun leerstehenden Fabrik, wurde zu gross. Er versuchte noch, zur Verwertung der ausgedehnten Fabriklokalitäten und der zwei Wasserwerke eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „Wasserwerkgesellschaft Wülflingen“ zu gründen, aber auch dieser Rettungsversuch scheiterte. So musste er das Feld den Banken überlassen. Johannes Beugger jun. starb mausarm und tief verbittert am 26. Mai 1899 bei seinem Sohn in Feuerthalen.

3. Die Nachgeschichte

3 a) Von der Spinnerei Beugger zur Klinik Schlosstal
Aus der Konkursmasse Beuggers verkaufte die Hypothekarbank Winterthur die Fabrik am 20. Dezember 1888 an den Staat Zürich. Am 2. Juli 1892 teilte der neue Besitzer der Gemeinde Wülflingen mit, dass beabsichtigt werde, die ehemalige Spinnerei in eine Pflege- und Versorgungsanstalt umzuwandeln. Die Wasserkraft in der Fabrik ging bei diesem Umbau ein. Das mächtige und schöne Fabrikgebäude blieb in seiner majestätischen Erscheinung erhalten und bildet heute den Hauptbau der Klinik Schlosstal.

Die Beugger'sche Fabrik heute als Klinik Schlossthal
Abb. 4: So präsentiert sich die Beugger’sche Fabrik heute.
3 b) Die Wasserkraft der Ernst’schen Schlackenmühle
Nachdem der Staat das Beugger'sche Etablissement in Wülflingen erworben hatte, war es das Bestreben der Finanzdirektion, die mit dem fraglichen Gebäude übernommenen reichlichen Wasserkräfte entweder zu vermieten oder zu verkaufen. Für das untere Wasserwerk, das 78,5 Pferdekräfte aufweist, ist es gelungen einen Käufer in der Person des Herrn Ferdinand Ernst an der Halden in Winterthur zu finden, welcher die Wasserwerksanlagen (Turbinengebäude, assekuriert zu 6000 Fr., und Turbine, 
assekuriert  zu 8000 Fr., zusammen 14,000 Fr.) nebst zirka 2,44 ha Land zum Preise von 20,000 Fr. als Eigentum übernimmt. Ferdinand Ernst an der Halden in Winterthur, reichte am 25. September 1889 ein Wasserrechtsgesuch ein, dahingehend beabsichtige er, diese Wasserkraft vermittelst eines Drahtseiles über die Töss auf eine neue Fabrikanlage bei der Station Wülflingen zu leiten, sowie die Kanalanlagen nebst Kanalüberfall wieder herzustellen, wie sie vor dem Hochwasser von 1881 bestanden hatten und ohne das Gefälle zu verändern. Der Regierungsrat hat daraufhin mit Beschluss vom 26. Juni 1890 dem Herrn Ferdinand Ernst an der Halden Winterthur die Bewilligung erteilt, die dem Herrn Beugger unterm 7. September 1872 konzessionierte Kanal- und Wasserwerksanlage in ihrem jetzigen abgeänderten Zustande fortbestehen zu lassen und die Wasserkraft mittelst Drahtseiltransmissionen auf sein neu errichtetes Etablissement (Schlackenmühle) neben der Eisenbahnstation Wülflingen zu leiten.
Abb. 5: Die Situation der umgeleiteten Drahtseiltransmission zur Ernst’schen Schlackenmühle..

Die Schlackenmühle wurde schon 1894 als Mosterei in die Schweizerische Obstweinkelterei und –brennerei integriert. Die Anlage wurde aber schnell liquidiert und der Schweizerische Konsumverein liess auf dem Areal ein grosses Lagerhaus errichten. Von der Ernst’schen Drahtseiltransmission ist einzig ein Plan der Firma Joh. Rieter erhalten geblieben, der den 150m langen umgeleiteten Ast ab der dem Abzweigmast östlich der Töss bis zur Schlackenmühle zeigt.
Abb. 6: Die Umleitung der Transmission zur Schlackenmühle bei der Bahnstation Wülflingen.
3 c) Die Wasserkraft der Ziegelei Keller-Liechti
Mit der Aufgabe der Schlackenmühle stand die Beugger’sche Wasserkraft erneut zum Verkauf. Im April 1896 wurde die Anlage durch die Ziegelei Keller-Liechti in Pfungen übernommen. Dies hatte den Abbruch der Drahtseiltransmission zur Folge. Die Technik der elektrischen Kraftübertragung war in der Zwischenzeit weit fortgeschritten und die Ziegelei beabsichtigte, die Kraft von 80PS nun elektrisch in die 4 km entfernte Ziegelei im „Weiher“ im Dättnau zu übertragen.
Abb. 7: Das Beugger’sche Wasserkraftwerk wird gut zwanzig Jahre nach seinem Entstehen elektrifiziert und die Kraft in die Ziegelei im Weiher im Dättnau geleitet.
1915 ersetzte die Ziegelei im Turbinenhaus die alte Girardturbine durch eine neue Franzis-Turbine. Schon zwei Jahre darauf, 1917, wurde das inzwischen baufällig gewordene Beugger’sche Turbinenhaus von 1875 durch einen Neubau ersetzt.
Die Anlage ging 1928 an den Staat Zürich, der beabsichtigte, die Pflege- und Versorgungsanstalt in der ehemaligen Beugger’schen Fabrik mit eigener Energie zu versorgen.
Fast hätte sich der Kreis geschlossen. Der Staat Zürich verzichtete aber auf das Vorhaben und löschte das Wasserrecht 1932. Das zugehörige Land wurde zur Arrondierung der Landwirtschaft der Anstalt verwendet.
Das Beugger’sche – Keller’sche-Turbinenhaus hat zusammen mit den Fabrikbau (Abb. 4) die Zeit als Zeugen der Industrialisierung des 19 Jahrhunderts überdauert.

Abb. 8: Ehem. Turbinenhaus der Spinnerei Beugger Winterthur-Wülflingen ZH wie es sich heute präsentiert.
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 © Mühlen-Inventar Seeland, Urs Landolf, 26. Juli / 10. August 2020
 
 
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