Abseits der Hauptstraße
Nicht nur im kühlen Grunde …
Im Nebelspalter, dem Humor- und Satire-Magazin veröffentlichte Walter Blickenstorfer im Jahre 1966 folgendenden Artikel:
Soweit ich in meinem Stammbaum zurückforsche, da hat es Bauern, Baumeister, Schuhmachermeister, einen Kesselschmied, aber kirchenbuchmäßig keinen Müller. Ich habe noch nie in einer Mühle gewohnt, nie in einer Mühle geküßt und geliebt und noch weniger eine Mühle in Anwartschaft. Aber wenn ich Geld besäße, würde ich mir heute noch eine alte Mühle kaufen und sie mir wohnlich einrichten. Sogar das Räderwerk müßte in Ordnung gebracht werden und ab und zu würde ich ricke-racke, ricke-racke dieses Rädergetriebe knarren, ächzen und laufen lassen. Je nach Lust und Laune würde ich dieses Knarren und Knorzen als Sinnbild jeglichen Dienstweges werten: Mit Eifer, ungebrochen, voller Idealismus jagt der Bach daher, schäumend und brausend, ganz Tatendrang, wirft er sich über die Schaufeln des Rades. Aber das ächzende Zögern des Getriebes, das unnötige Gelärme und Geratter an sich wertloser Zwischeninstanzen und das bißchen effektive Wirkung am Ende, nun, das wäre ein schöner Vergleich und ein treffender dazu. Man könnte diese Sequenz etwa mit (Konjunktur-Dämpfung) überschreiben. Wäre ich besser gelaunt und positiver gestimmt, so würde ich den Bach als die jubelnd-verwegene Jugend werten und das Räderwerk als die weisen Bremser und Lehrer und das im Vergleich zur ursprünglichen ungestümen Kraftaufwendung doch etwas klägliche Kraftergebnis an den Mühlsteinen etwa als Quintessenz eines langen und mühseligen Denk- und Lehrweges bewerten : Als Dissertation vielleicht oder als erstes bahnbrechendes philosophisches Werklein eines neuen Jüngers der Philosophie. Sie selber, lieber Leser, sind ja soeben von mir abseits der Hauptstraße auf das buschumsäumte, unkrautüberwucherte Weglein privater Philosophie gelockt worden, der ich etwa den Namen <Quarnölogie> verleihen würde, wenn ich möchte. <Quarnem> ist schwedisch und heißt <Mühle> und <ologie>, nun, welchem Worte man auch den Schwanz <ologie> anhängen mag, es wird immer wissenschaftlich klingen. < Quarnemologen-Kongreß > würde z. B. sehr achtungsgebietend tönen. Sollte man in Zürich überhaupt nicht einmal ein solches Quarnemologen-Kolloquium abhalten, da Limmat-Athen ja über seinen Rückgang als Kongreß-Stadt jammert. Sitzungssaal natürlich irgend ein Konferenzsaal eines städtischen Amtes. Das Sitzungszimmer des Amtes für Verkehrsplanung schiene mir am geeignetsten, um den ersten vergleichenden Satz der soeben geborenen Lehre der <Quarnemologie> unsichtbar, aber spürbar über dem Kongreß schweben zu lassen, als Geist hölzerner Mühlenräder.