Die geizige Müllerin
Noch heute steht im Öflinger Oberdorf in der Nähe der ehemaligen Mühle die alte Zehntscheune. Dort waltete einst ein hartherziges, habsüchtiges Weib als Müllerin und zog den Zehnten ein. In ihrer Schlechtigkeit stahl sie von den Vorräten und behauptete, die armen Leute hätten ihren Zins noch nicht abgeliefert. Auch behielt sie von dem Mehl, das die Bauern bekommen sollten. In schlechten Zeiten verkaufte sie das Gestohlene zu Wucherpreisen. Hielt jemand bei ihr um Almosen an, so hetzte das geizige Weib die Hunde auf die Bittenden. Die Strafe blieb jedoch nicht aus. Als die Müllerin starb, fand sie im Grab keine Ruhe. Sie musste als Geist in der Mühle umgehen und schreckte des Nachts die Mühlenbewohner aus dem Schlaf. Auch soll das Vieh behext und vom Unglück verfolgt worden sein. Ein Kapuzinerpater aus Dornach bannte den schaurigen Geist als Fliege in ein Fläschchen. Dieses musste von einem beherzten Mann zwischen Sonnuntergang und -aufgang zum Hühnerlochfelsen hinaufgetragen werden. Der Träger durfte sich unterwegs nicht umsehen. Nach vielem Fragen fand sich endlich jemand bereit. Als er unterwegs war, kam es auf einmal hinter ihm her wie zwei springende Rosse. In der Angst wandte er sich um, und im gleichen Augenblick war die Hexe aus der Flasche entwichen. Später gelang es einem andern. Doch soll die Last, die er trug, immer schwerer geworden sein, je mehr er sich dem Felsen näherte. Noch heute kann man an diesem Felsen im Laub Scherben und ganze Fläschchen finden. Gewisse Leute haben auch schon beobachtet, wie das Gespenst als roter Hahn auf dem Felsen stand und sehnsüchtig auf die Mühle hinabschaute. Jäger bemerkten, wie sie sich in früher Stunde kämmte. Dort muss die Gebannte so lange ausharren, bis ein erlösendes Wort sie befreit. Bis dahin kann es aber noch viel hundert Jahre dauern.