Als die besten Mühlsteine sind die aus den Steinbrüchen von
La Ferté-sous-Jouarre bezogenen weit und breit berühmt. Die der tertiären
Formation angehörigen Gesteinsschichten, aus denen sie gehauen werden, haben
eine Mächtigkeit von 3 bis 6m und sind von weiss bis zu braun in
verschiedenartigen Nuancen gefärbt: hellgrau, blaugrau, himmelblau,
rosaviolett, gerstenzuckergelb, gelbgrau und graubraun. Als Primaqualität gilt
der weissliche blaugeaderte Stein, als zweite der sogen. oil de perdrix, ein
mit unendlich vielen kleinen Poren besäeter Stein. Es ist übrigens zu bemerken,
dass, wenn auch die Farbe auf den ersten Blick einen gewissen Anhaltspunkt zur
Beurtheilung der Qualität darbieten mag, man doch keinen allzu grossen Werth
darauf legen sollte; vielmehr ist die vollkommene Gleichförmigkeit der Härte
und der Poren als massgebendes Kriterium seiner Güte zu betrachten. Die Farbe
rührt ja nur von den mineralischen Oxyden her, welche auf seine
Widerstandsfähigkeit, mithin auf seine wirkliche Qualität keinen Einfluss
haben. Das specifische Gewicht des Gesteins ist je nach seiner Färbung und der
Lage des Steinbruches ein verschiedenes; es schwankt im Allgemeinen für die zu
Läufern sich eignenden Blöcke zwischen, 2,20 und 2,40, für die Bodensteine
zwischen 2,00 und 2,20.
Auf dem Werkplatz angelangt, werden die Steine sortirt und
in Gruppen abgetheilt. Jede Gruppe umfasst diejenigen Steinstücke, welche zur
Fabrikation eines Mühlsteins von mittlerem Durchmesser nöthig ist und nur aus
Blöcken von gleicher Farbe, gleichem Korn, gleicher Härte und vollkommener
Homogenität bestehen darf. Zur Erzielung |532| eines tadellosen Mahlgutes ist
es wesentlich, dass Läufer und Bodenstein aufs innigste zusammenpassen und
ausserdem mit der Natur der zu mahlenden Getreideart und der landesüblichen
Mahlmethode in vollkommenem Einklang stehen.
Die Mühlsteinfabrikation in La Ferté umfasst folgende
Operationen:
1) Das Behauen der Blöcke, aus denen der Mühlstein
zusammengesetzt werden soll, und die Vollendung der Fugen;
2) das Aneinanderfügen und Verkitten der Stücke;
3) das Binden des Mühlsteins mit eisernen Reifen;
4) das Ausfüllen mit einer Mischung aus Cement, Sand und
Stein;
5) das Zurichten der Mahlflächen des Bodensteins und
Läufers, und das Einschneiden der Furchen. (Vgl. die Abbildungen auf Taf. 36).
1) Das Behauen der Blöcke. Das erste Geschäft nach
getroffener Auswahl des Gesteins besteht in der Beseitigung des Hangenden –
eine Arbeit, die im Freien vorgenommen wird. Zu dem darauf folgenden Herrichten
der Flächen, welche beim Zusammenfügen genau auf einander passen müssen,
bedienen sich die Arbeiter zunächst der Spitzpicke Fig. 4, dann für die feinere
Ausführung des Meisseis (Bille) Fig. 5 und 6, auf welchen sie mit Holzschlägeln
klopfen, und schliesslich einer Breitpicke Fig. 7 und 8. Der Arbeiter legt das
zu behauende Steinstück auf einen Bock, ungefähr 0m,90 über dem Boden, um das
Arbeitsstück besser im Auge und bei der Hand zu haben, wobei er freilich den
feinen Staub nahe am Gesicht hat; dies ist ein ernster Uebelstand, dessen
Beseitigung längst das Ziel mehr oder weniger erfolgreicher Bemühungen
intelligenter Arbeiter gewesen ist. Eine vollständige Lösung dieses Problems
ist jedoch erst dem Mühlstein-Fabrikbesitzer G. Roger durch einen Apparat
gelungen, welcher im Princip mit seiner Maschine zum Zurichten der Mühlsteine
(*1877 226 576) grosse Aehnlichkeit hat, weshalb hier von der Beschreibung
desselben Umgang genommen werden darf.
2) Das Zusammenfügen und Verkitten, der Stücke. Nachdem das
Mittelstück des Mühlsteins fertig gestellt, seine Oberfläche geebnet ist und
die Seitenflächen rechtwinklig zu der letzteren geschnitten sind, so bringt man
das in Fig. 9 und 10 in Seiten- und Vorderansicht abgebildete Werkzeug in das
Steinauge; es besteht aus einer über dem Auge zu befestigenden runden Scheibe D
und aus einer um den Zapfen p drehbaren, durch eine Flügelmutter feststellbaren
Schiene R. Diese durch eine Rippe verstärkte Schiene ist mit einem Gleitstück g
versehen, welches man, zur Fixirung des Mühlstein-Halbmessers und um dem
Arbeiter die Herstellung der Cylinderform zu erleichtern, in dem erforderlichen
Abstande vom Mittelpunkt mittels Schraube und Mutter feststellt.
Zur Verbindung der Steinstücke unter sich bedient sich eine
Anzahl Fabrikanten des Gypses, andere des Cementes, O. Roger dagegen eines
besonderen Kittes, worin der vom Mühlstein selbst kommende |533| Staub einen
Bestandtheil bildet. Dieser Kitt wird beim Trocknen so hart wie der Stein und
bildet mit diesem ein auf das solideste zusammenhängendes Ganzes. Der Arbeiter
verkeilt die Steinstücke auf der unbehauenen Seite mit Steinbrocken, um die
Höhlungen auszufüllen. Der Mühlstein seilt sich hiernach, wie Fig. 9 zeigt, als
eine auf der einen Seite ebene, auf der andern Seite höckerige Scheibe dar. Die
Anordnung der Blöcke um das Herzstück, welches in La Ferté boitard oder
l'oeillard genannt wird, je nachdem er dem Bodenstein oder dem Läufer angehört,
ist aus Fig. 10 ersichtlich.
3) Das Binden des Mühlsteins. Der auf die beschriebene Weise
hergerichtete Mühlstein wird, wie Fig. 11 zeigt, umgelegt, so dass die
Mahlfläche nach unten zu liegen kommt. Mit Hilfe besonderer Zangen zieht man
den ersten 25mm breiten und 8 bis 9mm dicken Eisenreif F rothglühend über den
Stein, jedoch so, dass er nur 2 bis 3cm vom Rande der Mahlfläche absteht. Beim
Erkalten zieht sich der Reif zusammen und presst die Theile des Mühlsteins auf
das festeste an einander. Dieser Reif ist in der Regel nur provisorisch und wird
später wieder abgenommen. Unmittelbar darüber kommt ein zweiter 80mm breiter,
3mm dicker Reif F' zu liegen, welcher nicht zusammengeschweisst, sondern
einfach zusammengenietet ist. Ein dritter Reif (F1) von der Grösse des
letzteren folgt erst nach geschehener Ausfüllung.
4) Die Ausfüllung des Mühlsteins erfordert seitens des
Arbeiters grosse Sorgfalt und einen geübten Blick. Zur Erläuterung der in den
Werkstätten von Roger und Comp. eingeführten Methode dienen Fig. 12 und 13,
welche den Läufer nebst Hilfsvorrichtung in Verticalschnitt und Grundriss
darstellen. Nachdem der Mühlstein in geringer Höhe über dem Boden in
horizontale Lage gebracht worden ist, umgibt man ihn mit einem Mantel von der
Form eines Eisenbandes G, dessen breite der dem Stein zu gebenden Dicke genau
entspricht. Ein Rohr H versenkt man in das cylindrische loch des Mittelstückes
und füllt sodann den ganzen Zwischenraum mit einer Mischung von Cement, Sand
und Steinstückchen aus, indem man auf eine möglichst regelmässige Vertheilung
dieses Füllmaterials Bedacht nimmt; der Mühlstein erlangt dadurch einen festen
Zusammenhang und Dauerhaftigkeit. Um eine in der Mitte des Auges senkrecht
angebrachte Spindel A lässt sich an einem Gestell BB' das eiserne Richtscheit G
herumdrehen, um die überflüssige Masse abzustreifen, welche über die durch die
oberen Kanten der Eisenmäntel G und H begrenzte Fläche hervorragt. Die
eisernen, mit Handhaben versehenen, ebenen und gewölbten Paletten Fig. 14, 15
und 16 dienen zur vollkommenen Glättung der Oberfläche der Masse. Beim
Ausfüllen bringt man an gegenüber liegenden Stellen zwei mit Röhren C
ausgefütterte Seitenlöcher (Fig. 17) an und ausserdem im Rücken des Steins in
gleichen Abständen 4 Löcher E (Fig. 12 |534| und 13); erstere dienen für die
Bolzen des Krahnes zum Aufnehmen des Steins, letztere zur Aufnahme von Büchsen,
welche der Arbeiter behufs der Ausbalancirung des Steins mehr oder weniger mit
Eisenschrot oder Bleistücken füllt.
Die Fabrikanten Bouchon und Gueuvin haben die in Fig. 18
dargestellte vortreffliche Methode eingeführt, welche den Arbeiter in den Stand
setzt, den Mühlstein im Fortgang seiner Zusammensetzung und Ausfüllung
beständig gleichgewichtig zu halten, so dass sein Schwerpunkt stets in der
Achse liegt. Ein hohler, von unten in das Läuferauge geschobener Kegel J trägt
nämlich auf mehreren von seinem Boden aus sich erstreckenden horizontalen
Lappen den Mühlstein. Die Spitze einer Schraube v ruht auf einer genau in der
Achse des Auges angeordneten Säule und bildet den Aufhängepunkt, um welchen das
System balancirt. Durch Regulirung dieser Schraube lässt sich der Abstand
dieses Punktes vom Schwerpunkte des Mühlsteins nach Bedürfniss ändern.
Nach vollendeter Füllung wird ein zweiter Eisenreif F1'
(Fig. 17) aufgezogen, dessen oberer Rand mit der Rückenfläche beinahe in
gleicher Höhe liegt.
5) Das Zurichten der Mahlflächen soll dem Mühlstein seine
Vollendung geben; es ist von G. Roger unter besonderer Berücksichtigung der
Gesundheitsverhältnisse der dabei beschäftigten Arbeiter in einer Weise durchgeführt
worden, welche kaum noch etwas zu wünschen übrig lässt. Die Beschreibung dieser
Maschine findet sich bereits in D. p. J. *1877 226 576.
Was endlich das Einschneiden der Furchen betrifft, so behält
sich unsere Quelle hierauf bezügliche Mittheilungen für eine spätere
Gelegenheit vor. (Im Auszug nach Armengaud's Publication industrielle, 1877 Bd.
24 S. 197 bis 232.)