„Lueg
nit verby“ – Solothurner Heimatkalender, 53 Jahrgang, Seite 100-102
Aus der Geschichte (Fritz Schär 1978):
Die Moser-Öle von Aetigkofen
Fritz Schär
Auch Aetigkofen hatte eine Zeitlang seine eigene Öle. Da das
Mettlenbächlein aber erst zu unterst im Tal, an der Gemeindegrenze von
Mühledorf, einigermassen stark genug war, entstand sie dort. Ein Johannes Moser
von Aetigkofen liess sie daselbst 1841 bauen. Damit entstand ein noch dorfentfernteres
Gebäude, als es das Gehöfte im Feld oder der Zöpflihof am Schöniberg schon
waren. Nur das verschwundene Spitztürli lag seinerzeit ebensoweit dorfab wie die
Moser-Öle.
Abb. 1:
Die Moser-Öle von Aetigkofen auf dem Gemeindeplan von Mühledorf 1854 mit angebauter Wasserkammer für das Wasserrad,noch ohne Einfahrt und dem zugehörigen Wasser Sammler. Die Gemeindegrenze von Mühledorf umschliesst die Liegenschaft bereits.
Weil sie dort in die Talenge zu stehen kam und das Ölewerk
das Erdgeschoss beanspruchte, wurde der Keller ausserhalb des Gebäudes im steilen
Südrain im Sandstein ausgehauen. Die Verlängerung der
Höhle auf 83 m Tiefe förderte zugleich ein gutes Trinkwasser für den Hausbrunnen
zutage. Zum Betrieb des oberschlächtigen Wasserrades wurde der Mettlenbach etwa
150 m weiter oben am schattigen Talrain abgeleitet. Bei der Öle sammelte sich
das Wasser in einem von Erdwällen umgebenen Becken an. Dieser Sammler, der auf
den alten Plänen der Gemeinde Mühledorf von 1854 eingetragen ist, war 15 m auf
9 m gross und muss eine gewisse Tiefe gehabt haben, wenn ein dareingefallenes
Zicklein darin schwimmen konnte, wie erzählt wird. Er bezweckte, das Wasser des
mageren Bächleins während der Nacht und den Arbeitspausen aufzuspeichern. Durch
einen hölzernen auf Stützen getragenen Känel wurde es etwa 20 m weit quer über
das Tal aufs Wasserrad geleitet. Damit dieses mindestens 5 m gross gemacht
werden konnte, musste der Unterwasserlauf eine Strecke weit ausgetieft werden.
Dies mag der eigentliche Grund gewesen sein, warum das Haus ohne Keller gebaut
werden musste. Wie in der Öle Mühledorf am Mühlebach drunten bestand das Werk
aus Reibe, Röste und Presse. Das steinerne Reibbett lag auf eichenen Blöcken.
Heute befindet es sich in der Aussenseite einer später entstandenen, verstärkten
Grundmauer als Andenken an die einstige Öle eingemauert. Der Öleraum hatte für
die Länge und Hubhöhe der Schlagbalken nicht die erforderliche Höhe, ansonst
das Gebäude um ein Stockwerk höher hätte gebaut werden müssen. Sie ragten daher
durch die Decke in die Wohnstube hinauf, wo sie neben dem Ofen auf- und ab funktionierten.
Als gefährliche Eindringlinge und wegen der kalten Zugluft benötigten sie einen
Schutzkasten.
Abb. 2:
Die Moser-Öle in heutiger Ansicht (1978) mit Einfahrt an der Strasse von Mühledorf nach Aetigkofen. Im Dunkel unter der Laube das in die Grundmauer einbetonierte, steinerne Reibbett der ehemaligen Öle. Nun Sägerei mit Holzbearbeitungswerkstätten und Schreinerei.
Johannes Moser hatte eine Anna Maria Lätt zur Frau, eine Tochter jenes
Müllers Michael Lätt, dem die Öle Mühledorf zugeteilt worden war. Leider war
Moser von zu leichter Lebensauffassung, so dass ihm sein Schwiegervater oft aus
der Geldnot helfen und er diesem schliesslich bei untilgbarer Verschuldung die
öle samt Grundstück überlassen musste. Johannes Moser war auch Mitglied einer
damaligen Musikgesellschaft Mühledorf. Bei ihm wohnte auch sein jüngster Bruder
Urs. Als dieser im Sonderbundskrieg an den Folgen einer Verletzung starb, soll
nach der Sage das Hörnchen seines Bruders an der Ofenwand daheim einen Abschiedsgruss
ausgestossen haben. Eine neben dem Südeingang der Kirche Mühledorf eingebettet
gewesene Gedenktafel erinnerte lange Zeit mi ausführlicher Inschrift an diesen
Sonderhundskrieger. Leider ist die Platte bei der Aussenrenovation der Kirche 1971
entfernt worden und seither nicht mehr zum Vorschein gekommen. Da von ihr auch
keine Photographie existiert, sei die in ursprünglich vergoldeten, ausgehauenen
Buchstaben gestaltete Inschrift hier festgehalten: «Ihrem Waffenbruder URS MOSER
von Aetigkofen die Batterie Nr. 9 Rust. Heilig sei diese Ruhestätte jedem wakkeren
Schweizer, denn er starb an einer im Gefecht bei Gislikon am 23. Nov. 1847
erhaltenen Wunde für Freiheit und Vaterland, für Licht und Recht.» Der
enteignete Öler Johannes Moser zog dann nach Nennigkofen, wohin er einmal die Musikgesellschaft
zu einem Gelage einlud. Sein zweiter Bruder, ein Bendicht Moser, war ein
wohlhabender Landwirt in Aetigkofen. Der Nachfolger in der Moser-Öle war ein
Johannes Zimmermann von Mühledorf, der die öle zuerst pachtete. Auch er hatte
eine Anna Maria Lätt zur Frau, eine nahe Verwandte aus einer Seitenlinie der
Anna Maria Lätt seines Vorgängers. Da Zimmermann aber als Mühledörfer so nahe an
seinem Heimatort wohnte, wünschte er zwecks Beibehaltung des Bürgernutzens,
dass die Gemeindegrenze oberhalb der Öle hindurchgehe. Diesem Begehren konnte
umso leichter entsprochen werden, als das Mosergut ja durch Verpfändung bereits
in den Besitz eines Mühledörfers, des Müllers Michael Lätt, gekommen war. Zudem
wurde diese Abtretung durch eine solch von Mühledorf ausgeglichen. Richtig
schliesst auf den Gemeindeplänen von Mühledorf aus dem Jahre 1854 die
Gemeindegrenze die einstige Moser-Öle von Aetigkofen in das Gemeindegebiet von Mühledorf
ein, und trägt ihr Grundstück deutlich den Besitzernamen «Michel Lätt, Müller».
Ebenso deutlich erkennt man auch, dass drei Matten unterhalb der Öle, die bis
zur heutigen Wundmatt hinunterreichten, noch lange Bürgern von Aetigkofen gehörten
(siehe Abb.). Da mit dem Aufkommen der Petrollampe 1852 die Ölgewinnung sich
auf das Pressen von Speiseölen beschränkte, hatte die ohnehin leistungsschwache
Moser-Öle neben der bewährten öle Mühledorf keinen dauerhaften Bestand mehr.
Zimmermann ölte also nicht lange. Vermutlich mit seiner Heirat 1862 kaufte er die
Liegenschaft und ging zur Verbesserung seines Fortkommens auf einen Kleinbauernbetrieb
mit zwei Kühen über. Seine Ehe blieb kinderlos. 1891 starb er an den Folgen
eines Sturzes von einem Kirschbaum. Im gleichen Jahr folgte ihm seine Gattin
nach. Nebenbei bemerkt: Johannes Zimmermann-Lätt war einer von vier
wohlbekannten Brüdern. Jakob, Lehrer in Lüterswil, wurde später Nationalrat und
Verwalter der Bucheggbergischen Spar- und Leihkasse daselbst. Bendicht baute
1880 die obere Säge am Rotmattenbach in Mühledorf, die bis 1921 bestand, als
deren Standort Bauplatz des Baumeisters Paul Moser wurde, und Michael wirkte
vor Gottfried Heiniger als Lehrer in Hessigkofen. In der Ubergangszeit vom 19. zum
20. Jahrhundert lebte eine verwandte Familie der verstorbenen Anna Maria
Zimmermann-Lätt in der Moser-Öle. Ausser dem über die Landesgrenze hinaus bekannten
Dr. Arnold Lätt, des Betreuers der Auslandschweizer, die er am Radio jeweilen mit
«LiebiLandslüt» anredete ging unter
andern Geschwistern auch dessen Bruder Fritz aus dieser Familie hervor Dieser
verband das geerbte kleinbäuerliche Heimwesen 1915 mit einer Wagnerei, die sich
1926 um eine elektrisch betriebene Säge mit Horizontalgatter erweiterte. Der
hierzu benötigte Anbau kam aber auf Aetigkofer Boden zu stehen, und die
Gemeindegrenze zog sich liniengenau durch die Achse der Fräse. Seit einigen
Jahren ist auf dem Austauschweg eine weitere Grenzverlegung mit Aetigkofen zustande
gekommen. Dadurch steht nun die Wagnerei Lätt mitsamt der Säge, die jetzt in
dritter Generation betrieben wird, völlig in Mühledorf. Als einstige Moser-Öle
von Aetigkofen ist sie aber noch nicht vergessen.
Die Angaben zu
dieser Zusammenfassung verdanke ich den Brüdern Fritz und Nikiaus Lätt, die
ihre Jugend in der Moser-Öle verbrachten, welche die elterliche Familie von
1893 bis 1913 bewohnte.