1945 Vom Korn zum Brot - Mühlenkalender

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1945 Vom Korn zum Brot

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Vom Korn zum Brot
Vom Korn zum Brot

Die folgende Fortsetzunggeschichte wurde von Dr. Rudolf Hunziker, Seminarlehrer, 1945 verfasst und erschien im Heimat-Kunde-Verlag Bern.
Inhalt:


Weitgereiste Gäste
Einwanderung unserer Gäste

Das Korn erwacht
Der Keimling regt sich

Hochbetrieb in den Vorratsräumen
Die Vorräte werden verwendet

Milionen von fleissigen Männlein schaffen im Kornfeld
Die Rohstoffe des Brotes wandern

Die lebendige Grasblüte
Rasch wird die Blüte geöffnet

Bei den Arbeitern im Korn
Das Weizenkorn wird gebaut

"Weltuntergang" im Kornfeld
Das Kornfeld stirbt

In der "Hölle" der Dreschmaschine
Das Korn wird gedroschen

Scheinbare Ruhe bei den gelagerten Körnern
Die Körner ruhen vor der Arbeit

Reinigungsanstalt "Rölle und Scheuer"
Kornreinigung

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp, klapp!
Zwischen den Mühlsteinen

Bei den kleinen Müllern
Das Korn wird gemahlen

Das Korn wird zersaust
Vom Ausmahlen des Roggenkorns

Das Mehl im Examen
Das Mehl wird gründlich geprüft






Zum Geleit

In der vorliegenden Arbeit wird versucht, den Weg zwischen dem Getreidekorn im Boden und seinem wirtschaftlichen Ergeb­nis Brot in die wichtigsten biologischen Teilstücke zu zerlegen. Sie soll zugleich ein Beispiel für die Durcharbeitung eines Stoff­gebietes in der Schule sein; aber auch außerhalb der Schule möchte sie der Belehrung dienen.
Die Arbeit ist dreiteilig und enthält:
1.  eine naturkundliche Zeichnung, halb- oder ganzschematisch. Kleine Strichfiguren sind dort gezeichnet, wo eine Handlung dargestellt werden soll. Sie geben dem Bild Leben und machen es für das Kind verständlicher. Sie können1 auch vom un­begabten Schüler gezeichnet werden und drücken doch die charakteristische Bewegung deutlich aus.
2.  der Text zum Thema des Bildes in der Fassung für den Lehrer und den Oberschüler. Der Lehrer ist sicher froh, die wich­tigsten Vorgänge in knapper Form zusammengestellt zu finden.
3.  den Text in der Fassung für den Unterschüler, dem dieses Heft als lehrreiches Bilderbuch in die Hand gelegt werden möge.

Der Stoff ist absichtlich reichhaltig, damit eine geeignete Aus­wahl für Ober- und Unterstufe erfolgen kann. Ohne Zweifel lassen sich Ergänzungen und Anpassungen an örtliche Verhält­nisse unschwer vornehmen, und die Idee des Buches kann auf andere Lebensvorgänge übertragen werden.
Möge die Arbeit der Schule gute Dienste leisten in einer Zeit, wo das tägliche Brot als herrliche Gabe Gottes wieder mehr gewürdigt wird.

Der Verfasser
Ueber Herkunft und Zucht unserer wichtigsten Getreidearten

Alle unsere wichtigen Getreidearten sind fremde Gäste, haben sich jedoch längstens bei uns eingebürgert, an unser rauhes Klima angepaßt und dadurch neue Eigenschaften gewonnen, aber auch vorhandene ver­loren. Die weiten Wanderungen wurden hauptsächlich durch den Men­schen ermöglicht: Wandernde Völker nahmen ihre Pflanzen mit und ver­suchten, im neuen Land mit ihnen Kulturen zu gründen.

Der Roggen ist ein Bürger Kleinasiens. Auf weitem Umweg über die kaukasische Landenge, über Südrußlands fruchtbare schwarze Erde kam er nach Europa. Er ist, wie alle Gräser, eine Steppenpflanze und kann sich leicht dem westeuropäischen Klima anpassen, wenn er den nötigen leichten, trockenen Boden findet. Das geschah wohl schon in der Bronze­zeit. Immer besser gewöhnte sich die Pflanze an den neuen Standort, und die Menschen verbesserten durch planvolles Züchten stets ihre Eigen­schaften. Die Körner wurden größer und zahlreicher, die Spindel härter, die Bestockung reicher, und vor allem bildete sich eine gute Winterhärte, so daß der Roggen als Winterfrucht besonders beliebt ist. Er war in seinem Ursprungsland ohne Zweifel eine ausdauernde, mehrjährige Pflanze; diese wichtige Eigenschaft ist verloren gegangen, wird aber möglicherweise durch die Züchtung wieder erworben. Welche Aussichten wären dies für den Landwirt !

Die Gerste stammt aus dem Lande Abessinien und hat ihren weiten Weg zu uns über Kleinasien genommen. Sie kam bei uns nicht zu sol­chen Ehren wie der Roggen; aber heute weiß man sie immer mehr zu schätzen wegen ihrer geringen Ansprüche und großen Lebenshärte. Lange Zeit diente sie nur für die Bierherstellung und als Viehfutter.

Der Weizen ist wohl die älteste Brotfrucht. Er hat für seine drei Grund­formen: Einkorn, Emmer und Dinkel auch drei Ursprungsländer. Emmer pflanzten schon vor 5000 Jahren die Babylonier und bereiteten daraus schmackhaftes Brot, wie alte Inschriften schildern. Seine Heimat ist eben­falls Abessinien, und seine Körner waren von behaarten Spelzen ein­gehüllt. Man nennt ihn heute auch Hartweizen. Die Weichweizenarten (Dinkel) sind bei uns ganz heimisch geworden und haben sich durch Züch­tung zu unsern ertragreichsten Getreidepflanzen entwickelt. (Plantahof, Montcalm usw.) Der Dinkel stammt aus dem Himalajagebiet und hat viel­leicht schon von dorther Eigenschaften, die ihn für unser Klima geeignet machen. Jedenfalls gibt es heute Weizensorten, die auch bei recht kalter Witterung noch rechtzeitig reifen. Weitergehende Züchtungsversuche ver­bessern unser Getreide immer mehr.

Weitgereiste Gäste

«Huhl Wie ist es kalt im Schweizerland! Kalt bläst der Wind, schüttelt uns und krümmt uns bis an den Boden. Das war anders in dem Land, wo wir einst wohnten!» «So, so, du magere Gerste, wo kommst denn du her, daß dir unser Schweizerland so kalt erscheint?» fragte der lange Roggen­riese. «Ja, dort, wo wir herkommen, haben die Menschen fast schwarze Haut und krause Haare, und es ist warm, ja oft recht heiß; da kann man ganz andere Körner bilden als hier, wo man wenig Zeit hat, bis es wieder kalt wird und niemand mehr wachsen will. Ich komme aus Abes­sinien, aus dem alten Reich der Königin von Saba; hast du noch nie davon gehört?» «So weit her kommst du; das hätte ich nicht gedacht; du siehst sp klein und gewöhnlich aus und lassest immer deinen Kopf so betrübt hängen. Ich bin aus der Türkei eingewandert; bei uns versteht man seit alter Zeit etwas vom Brotbacken. Hier gefällt es mir auch gut; es hat viel trockenen Boden, und wegen der Kälte kümmere ich mich nicht viel.» «Und du, stolzer Weizen, mit deiner noch stolzeren Verwandt­schaft vom Himalaja und von Mesopotamien, du hast gut reden. Du bist geachtet; dir hilft man mit allen Mitteln, daß du dich zurechtfindest. Mir geht es nicht so. Ich kann froh sein, daß meine Körner noch für das Bier gebraucht werden; ja, da werde ich noch ein wenig geschätzt. Wenn es den Menschen einmal schlechter geht, etwa in einem Krieg, dann merken sie schon, wie brauchbar wir zähen Gersten sind; dann lernen wir auch den Kopf hochhalten!»

Plötzlich kam die Sense und schnitt singend Gersten- und Weizenhalme ab und bedachte nicht, welche Vergangenheit diese würdigen und wert­vollen Gräser hinter sich haben.

Einwanderung unserer Getreidearten
Von der Aussaat des „Brotes"

Der Werdegang des Brotes beginnt damit, daß der Same in den Boden gesenkt wird, mit dem Säen. Wie wichtig ist diese Arbeit 1 Welche Gedan­ken begleiten den Landwirt, wenn er gemächlich über sein wohlvorberei­tetes Feld schreitet und, nach alter Väter Sitte, den Samen seiner Hand entgleiten läßt? In seiner Vorstellung sieht er schon das wogende, gelbe Kornfeld und die wohlgefüllten Säcke mit dem Mehl. Und der Gedanken­gang führt ihn weiter zum duftenden Brot auf dem Tisch, um den seine Kinder sitzen und begierig in ihre großen Stücke beißen. Muß da nicht sein Blick aufwärts gehen zum Spender dieses Segens, der Gedeihen gibt zum wichtigen Werk des Säens? Muß da nicht sein Herz von Dank erfüllt werden, daß er auf dem Land seiner Väter immer wieder neu sein Brot ernten darf in immer neuem Werden?

Doch bevor er seine Saat aufs Feld bringt, bereitet er sie sorgsam vor. Nur die schwersten Körner sind ihm gut genug. Er weiß, daß schwere Körner — und nicht in erster Linie große — kräftige Pflanzen treiben. Er sondert sein Saatgut mit der Waage aus, nachdem er schon beim stehenden Kornfeld sich das beste Stück ausgelesen hat. Er suchte einen Platz, wo das Korn frei von Unkraut und von Brand war. Beim Roggen sah er auch darauf, daß keine Mutterkörner dabei waren. Auch las er die Stelle aus, wo die Halme kräftig, die Blätter vollkommen, die Ähren wohlgebildet, nicht besonders gemästet wuchsen. So bekommt er schon durch diese Auswahl ein Saatgut, das keine Krankheitskeime enthält.

Trotzdem bringt er seine Körner noch zur genossenschaftlichen Trieur­stelle. Hier wird das Saatgut durch eine Maschine geführt, die durch Windzug die zu leichten, durch Siebe die zu kleinen und durch kleine muldenförmige Vertiefungen die unvollkommenen Körner ausscheidet. Daß dabei auch Samen von Unkräutern, die meist leichter oder kleiner als Getreidekörner sind, abgesondert werden, ist verständlich. So erhält er ein fein gesäubertes Saatgut, das nun noch gebeizt wird. Die Körner werden in kalter oder heißer, ätzender Flüssigkeit (z. B. Kupfersulfat) ge­badet und dadurch an der Oberfläche von allen anhaftenden Krankheits­keimen befreit (Flugbrand, Steinbrand).

Nun ist das Saatgut bereit und wird kräftige, ertragreiche und stand­feste Pflanzen ergeben, soweit dies der Mensch vorausberechnen kann.

Das Getreidekorn ruht im Boden, leicht zugedeckt mit lockerer Erde, und bald erwacht der Keimling, schickt seinen Sproß dem Lichte zu und seine Wurzel hinab zu den Nährquellen des Bodens.

Das Korn erwacht

Warm und weich gebettet lag das Korn schon tagelang im Boden. Es ist ein prächtiges Korn, schwer, wohlgeformt, dick, sauber gewaschen; daraus muß eine prachtvolle Pflanze sprießen. Der Bauer hat sich alle Mühe gegeben, nur solch feine Körner zu säen,- er hat sogar den Samen in die landwirtschaftliche Schule Schwand eingesandt, und dort haben sie diesen durch eine Maschine geschickt, die auch die letzten untüch­tigen Körner ausgelesen hat. Dann hat der Bauer seine Körner gesät an einem sonnigen Morgen in feuchten Ackergrund. Aus dem kleinen Rohr der Sämaschine rollten die Körner in die Furche und wurden gleich wie­der zugedeckt.

Das war vor einigen Tagen. Feuchtigkeit dringt durch die Schale ins Korn; es quillt auf; die Samenschale platzt — der Keimling erwacht. Geschäftig helfen die Keimmännlein ihrem Prinzen. Er streckt und reckt sich. Er wischt die Augen aus, die noch voll Schlaf sind. Er spürt Hunger und Durst; schnell sind die Männlein da und bringen ihm alles, was er begehrt, aus der vollgefüllten Vorratskammer im Korn. Wie herrlich ist dieses ErwachenI Hier beginnt der Lebenslauf des Brotes; hier geschieht das Wunder des erwachenden Lebens, das wir Menschen nie völlig ver­stehen werden.

Der Keimling fühlt einerseits eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dem Licht und streckt seinen Kopf immer mehr nach oben, und anderseits senkt er seine Füße tief in den weichen Ackerboden, sich verankernd und neue Lebenskräfte suchend.

So fängt der Lebenslauf unseres duftenden Brotes an.

Der Keimling regt sich
Von der Keimung des Getreidekorns

Der Keimling ist erwacht. Lange hat er gezögert; denn das Wetter war nicht günstig, der Boden nicht feucht genug und die Luft noch zu kalt. Jetzt aber ist Wasser durch die Erde herabgesickert, in die Samenhaut ein¬gedrungen, und die Zellen im Innern quellen mächtig auf. Die enge Haut platzt; der Keimling kann sich strecken und recken. Seine Aufgabe liegt vor ihm; er arbeitet nach einem Plan, der längst festgelegt ist. Die zukünftigen Organe der Pflanze sind im Keimling schon vorbereitet; er läßt Wurzel, Stengel und Sproß ganz deutlich unterscheiden. Die großartige Währungs¬reserve, die bereit liegt, ist genau berechnet nach Menge und Art; sie wird sicher reichen bis zu dem Zeitpunkt, wo sich die junge Pflanze mit ihren Würzelchen aus dem Boden selber die nötigen Nährstoffe zu verschaffen vermag. Allerdings kann solch ein vorzeitiger Keimling auch zugrunde gehen, wenn es andauernd tiefe Temperaturen gibt oder wenn der anfänglich gefallene Regen bald wieder verdunstet und eine Dürre eintritt. Da werden die Vorräte aufgegessen, bevor die Wurzeln genügend ausgebildet sind; das junge Pflänzchen muß verhungern. Winzig klein ist der erwachende Keimling, und doch enthält er nicht nur den Bauplan der ganzen zukünftigen Pflanze, sondern sogar noch Anlagen für die nach ihm kommenden Geschlechter, die er wieder weitergibt. Er ist unsterb¬lich, ein Glied in einer endlosen Kette, ein Wunder der Schöpfung.

Bevor er jedoch seine Vorräte in den benachbarten Zellulosekammern richtig verwerten kann, muß er dafür sorgen, daß sie zubereitet, für ihn genießbar werden. Es handelt sich um Stärke, jenes feine, weiße Pulver, das später dann auch wieder in den Ähren für die Nachkommen gebaut wird. Die Stärke ist wasserunlöslich und muß es sein als richtiger Reserve¬stoff; wie sollte sonst das Korn so lange Zeit aufbewahrt werden können? Mit Wasser allein kann also diese Stärke nicht genießbar gemacht wer¬den; dazu verwendet der Keimling einen abbauenden Saft, den er für diesen Zweck aufbewahrt und jetzt ausscheidet, die Diastase. Langsam lösen sich unter ihrem Einfluß die Zellulose-Zellwände im Innern und die darin befindliche Stärke auf und verwandeln sich in Zuckerwasser, das dem Keimling zuströmt, in seinen Leitungsbahnen auf- und abwärts steigt und als Baustoff unglaublich rasch mithilft, die Pflanze zu bilden. Immer mehr entleert sich das Getreidekorn; es schrumpft zusammen unter der geplatzten derben Samenhaut. Auch die Kleberzellen werden entleert und das Öl verwendet als Nährstoff. Der Zucker liefert auch die Lebenskraft und treibt die ganze wunderbare Arbeit an. Und dann kommt die Zeit, wo die junge Pflanze ohne Vorräte auskommen und sich mit den neu¬gebildeten Wurzeln im Boden und den frischgrünen Blättern im Sonnen¬licht ihre Nahrung erwerben muß.

Hochbetrieb in den Vorratsräumen
Aufgeregt kommt ein Magazinmännlein gerannt: «Der Prinz Keimling ist erwacht! Die Wand des Magazins ist gespalten; es kommt Wasser herein; die Vorräte verderben! Was sollen wir tun?»

«Nur keine Angst! Jetzt beginnt für uns die Arbeit; jetzt heißt es mäch¬tig schaffen. Es freut mich, daß endlich unser Prinz erwacht ist; das ewige Warten und Herumsitzen ist mir längst verleidet.»
«Der Prinz hat Hunger und Durst; da müssen wir vor allem dafür sorgen, daß er etwas bekommt», meint der Magazinchef. «Wir müssen die Vorräte herunterholen und zubereiten. Holt einmal die Küchenmänn¬lein.» Eifrig kommen diese daher; sie bringen ihre großen Flaschen mit, in denen sie eine klare Flüssigkeit aufbewahrt haben. «So, jetzt bringt ihr uns langsam die Stärkepakete da in unsere Küche und schüttet den Inhalt in diese großen Schüsseln.» Dann leeren sie den Inhalt ihrer geheimnisvollen Flaschen über die herrlich weiße Stärke, und — o Wunder — die Stärke löst sich auf, wird klar, und die Männlein ver¬suchen mit der Fingerspitze vorsichtig den Geschmack der klaren Flüs¬sigkeit. «Es ist in Ordnung. Zuckersüß ist die Nahrung; sie wird unserem Prinzen herrlich schmecken; er hat nichts so gern wie Zuckerwasser; das gibt ihm Kraft und macht ihm Mut zu seiner sehr großen Arbeit.»

Und der Prinz bekam nach und nach den ganzen Vorrat, wuchs ganz gewaltig, streckte seinen schön grün werdenden Kopf weit über die Erd¬oberfläche und suchte mit seinen Füßen Halt, Feuchtigkeit und Wärme im Boden unten. Und als die Vorräte aufgebraucht waren, hatte der Prinz auch seine Magazinmännlein nicht mehr nötig; sie konnten andere Arbei¬ten im Pflanzenhaushalt übernehmen.
Geheimnisvolles Schaffen im Kornfeld

Still wogen die Halme im Sommerwind und erzählen vom heimlichen Schaffen in Wurzel, Stengel, Blättern und Ähre.

Tief unten im Boden erfüllen die Wurzeln ihre wichtige Aufgabe. Wurzel­härchen, mit kleinen Erdschollen verklebt, saugen Wasser mit darin ge­lösten Nährstoffen aus dem Boden. Begierig strecken sie sich nach'jeder Feuchtigkeit aus ; denn die Pflanze, die sie versorgen müssen, ist sehr groß, verdunstet deshalb viel und bedarf fortwährenden Nachschubes. Außerdem trocknet der Boden in der obern Schicht immer mehr aus und wird hart. Ganz besonders begehrt sind von der Getreidepflanze die Eiweißbrocken; denn sie enthalten den wichtigen Stickstoff. Das gibt Aufbaumaterial für die ungezählten übereinandergetürmten Zellen des langen Stengels und der Blätter. Nicht weniger wichtig sind Phosphor­salze, die gelöst emporsteigen und nach Verdunstung des Lösungswassers im Zellplasma Zurückbleiben. Immer weiter verzweigen sich die Wurzeln, immer mehr entstehen, bis ein dichtes Bündel sich in der obersten Erd­schicht ausbreitet, die Graswurzel. Zugleich kann damit die Wurzel auch ihre andere wichtige Aufgabe erfüllen, nämlich der Pflanze Halt geben.

Welch ungeheure Arbeit muß nun aber geleistet werden, um diese Bodenstoffe hinauf in die Blätter und die Ähre zu schaffen. Riesige Kräfte sammeln sich in einem Kornfeld, meßbar mit Hunderten von Pferdekräf­ten. Langsam steigt das Wasser auf in den haarfeinen Gefäßen der Gefäß­bündel, so wie der Kaffee im Zuckerstücklein emporsteigt. (Haarröhrchen­wirkung = Kapillarität.) Von Zelle zu Zelle wird die Lösung der Boden­salze durch die Zellwände gepreßt, um sich auszugleichen in der Lösungs­dichte. Dabei werden die Zellwände ausgebuchtet, die Zellen prall gefüllt, so daß sie starr und fest werden und der Pflanze Halt geben (Osmose, Turgor). Und wenn in den Blättern das Wasser verdunstet, erzeugt das Bemühender Pflanze, diesen Wasserverlust auszugleichen, einen kräftigen Zug hinauf. Endlich erreichen die gelösten Bodenstoffe hoch oben in der Ähre auch die Fruchtknoten in den Blüten. Hier sollen sie bleiben, auf­gespeichert werden für die Nachkommenschaft in einer Form, die mög­lichst dauerhaft ist. Dazu ist es nötig, daß noch andere Kräfte am Werk sind, die den Kohlenstoff der Kohlensäure der Luft zu zerlegen vermögen (Assimilation). Damit baut die Pflanze durch geheimnisvolle Verbindung mit den anorganischen Elementen aus den Bodenstoffen jene Körner, die die Grundlage unserer Ernährung bilden, die unsere Existenz so weit­gehend bedingen. Milliarden Arbeitsplätze — machtvolle Gesamtwirkung winziger Einzelarbeit — so schafft das Kornfeld.

Millionen von fleissigen Männlein schaffen im Kornfeld

Die Wurzelmännlein sind eifrig dabei, aus dem Boden gute Sachen zum Essen für die Pflanze aufzusuchen. Schnell werden sie in die Wurzeln geschleppt und in die kleinen Karren geschaufelt.

Die vollen Wägelein rollen zum Stengelbahnhof, werden in die Behälter des Becherwerkes umgeladen und fahren nach oben. Ununterbrochen läuft das Becherwerk; denn die Zellenmännchen brauchen Zement für die Wände der neuen Zellen und eine Menge Wasser zum Kochen des Zell­saftes.

Die Blattzellenmännchen sind dabei, die Luft zu zerlegen; denn für den Zellsaft müssen sie unbedingt Kohlenstoff haben, und den findet man in der Luft. Diese Männchen sind gelernte Chemiker und verstehen ihre Sache ausgezeichnet.

Die wichtigste Arbeit aber haben die ^örnermännchen oben in der Ähre. Sie müssen die dauerhaften Vorräte kochen, die für die Kinder und Kindeskinder bereitgestellt werden. Auch diese Männchen sind Chemiker. Sie brauen geheimnisvolle Stoffe wie Stärke und Eiweiß (Kleber).

Ununterbrochen schaffen alle diese Männchen,- sie haben nur wenig Zeit; bald ist der Sommer vorbei, und dann muß alles fertig sein; dann haben die Männchen endlich etwas Ruhe. Aber es ist auch ganz wunder­bar, was diese Männchen zustande bringen und welchen großen Dienst sie uns Menschen leisten, wenn sie uns das Weizenkorn schaffen; wir wollen ihnen dankbar sein.

Die Rohstoffe des Brotes wandern
Die empfindliche Roggenblüte

Unauffällig in der Farbe steht die Blüte in der Ähre. Keine Farbe, die Insekten anlocken könnte, keine Form, die einer Mücke oder einem Käfer Unterschlupf böte, zeigt sich beim Getreide. Wie viele Menschen gehen am Kornfeld vorbei und kennen die Blüte nicht I Und doch ist auch die Grasblüte in all ihren Teilen von bewunderungswürdigem Sinn und ganz zur Erfüllung ihrer Aufgabe gebaut.

Die Blumen- und Kelchblätter haben sich in erst grüne, dann gelbe, harte Spelzen verwandelt und zeigen deutlich, daß ihre Aufgabe darin besteht, erst die Blüte und dann die werdende Frucht zu schützen. Sie legen sich nach der Befruchtung der Blüte nur leicht (Roggen), fester (Weizen) oder so dicht an die Frucht an, daß sie mehr oder weniger schwer zu entfernen sind vor dem Mahlprozeß. Geschützt gegen Kälte und Wind, stehen innerhalb dieser Spelzen die Staubblätter und auf dem Fruchtknoten die federartige Narbe.

Und nun macht sich die Blüte bereit zum Aufblühen. Zwischen der Deck¬spelze mit der Granne und dem Fruchtknoten sind eigentümliche, weiche, blattartige Hüllen eingeklemmt, die Schwellkörper, die bei Wasserauf¬nahme mächtig und schnell aufquellen, sich dadurch verdicken und die Spelzen der Blüte auseinanderdrücken. Eben konnte man noch kaum eine aufgegangene Blüte entdecken, und jetzt, 10 Minuten später, hängen schon überall die 3 schaukelnden Staubblätter zwischen den sich öffnen¬den Spelzen hervor. Der warme, feuchte Wind und die Morgensonne haben das bewirkt; der Schwellkörper hat sich vollgesogen und die Spelzen auseinandergedrängt. Es ist der günstigste Moment zur Bestäu¬bung. Der sanfte Wind schüttelt die Staubsäcke aus,- der Staub rutscht auf die Löffelchen und wird von dort übers ganze Feld geblasen. Es ist ein feiner, mehlartiger Blütenstaub in ungeheurer Menge, und die Staub¬beutel hängen an so dünnen Stielchen, daß sie der geringste Lufthauch bewegt. Und der Staub fliegt übers Feld, wird von den federigen Narben aufgefangen in großer Menge. Die Pollenkörner bleiben hängen zwischen den Narbenhaaren; es gefällt ihnen hier so gut, daß sie — einem geheim¬nisvollen Drange folgend — bald beginnen, ihre Keimschläuche zu treiben in der Richtung gegen die Eizelle im Fruchtknoten. Längstens aber haben sich die Spelzen wieder geschlossen, umfassen schützend den wachsen¬den Fruchtknoten, in dem sich das Leben regt. So kann das Korn dann alle Behandlungen ertragen, die ihm bevorstehen, bis es auf dem Speicher ruht.

Immer wieder sind wir erstaunt über diesen so exakt und nützlich sich abspielenden Mechanismus der sich öffnenden und schließenden Ge¬treideblüte.

Die lebendige Grasblüte

Nimm einmal eine Getreideähre, die reif zum Blühen ist (grün) in die geschlossene warme Hand. Es geht nicht lange, so wird es lebendig in deiner Hand; es dünkt dich, ein Maikäfer krabble dir darin herum. Was ist denn da los ? Pflanzen sind doch nicht auf diese Art lebendig! Nimm jetzt vorsichtig die Ähre wieder aus der Hand, dann siehst du, wie sie sich verändert hat. Sie blüht; aus allen Spalten zwischen den Spelzen hängen an feinen Fäden kleine Säcklein herab mit Blütenstaub. Die warme, feuchte Hand hat die kleinen Schwellkörper zwischen Spelzen und Frucht¬knoten so anschwellen lassen, daß sie die Blütenteile auseinanderdrück¬ten und die Staubblätter herausfielen.

Ja, die Ährenmännlein waren an der Arbeit. Als sie sahen, daß es gün¬stig war zum öffnen der Blüte, als draußen Wärme und Feuchtigkeit vor¬handen waren, da haben sie die Blumenblätter, die man hier Spelzen heißt, auseinandergedrückt. Es war eine schwere Arbeit, und sie mußte doch schnell ausgeführt sein. Es durfte nicht länger als etwa 10 Minuten dauern, bis die Blätter auseinander waren. Dann warfen andere Männ¬lein die schweren, mit feinstem Blütenstaub gefüllten Staubsäcke hinaus; sie baumelten an ihren sehr dünnen, aber zähen Stielchen. Wieder andere stellten die prachtvollen, großen Federn auf dem Fruchtknoten auf. Es war ein Leben und Betrieb in der Blüte und doch ganz ohne Lärm. Wenn dann die Federn ganz voll Staub sind, müssen die Blätter (Spelzen) ebenso rasch und gründlich wieder geschlossen werden. Die Männlein können sich dann an die Arbeit im Korn drin machen.

Rasch wird die Blüte geöffnet
Vorsorge für die Nachkommen

Jede Pflanze löst zwei große Aufgaben: Sie ernährt sich selbst und sorgt während ihres kurzen Lebens dafür, daß auch noch wertvolle Nährstoffe für die Nachkommen aufgespeichert werden. Unbewußt folgt sie diesen geheimnisvollen Trieben, und ihr ganzer Körper ist zur Erfüllung dieser Aufgaben eingerichtet. Am kunstvollsten sind wohl der Bau und die Füllung des Vorratsspeichers hoch oben in der schwankenden Ähre. Manches schwierige physikalische und chemische Problem wird dabei gelöst. Das schweizerische Kriegswirtschaftsamt steht vor denselben Problemen und weiß, welche Mühe es macht, Vorräte einwandfrei lange Zeit aufzubewahren.

Erst wenn die Narbe bestäubt, der Keimschlauch des Staubkorns (Pol¬len) hinuntergewachsen ist zur Eizelle und sich die geheimnisvolle Ver¬einigung der Zellinhalte erfüllt hat, ist die Erlaubnis gegeben, in diesem Fruchtknoten Nährstoffe zu speichern, aus dem Fruchtknoten der Blüte eine Frucht werden zu lassen. Jetzt teilen sich die Zellen der Samenanlagen, entstehen die ungezählten, winzig kleinen Kammern, in denen die Stärke¬pakete, die Eiweißbrocken (Kleber), die Salzstücklein oder gar die unsicht¬baren Vitaminmengen eingelagert werden. Unermüdliche Arbeit beginnt ,- die Zeit, die zur Verfügung steht, ist kurz.

Vor allem müssen die Vorräte unlöslich sein für das Wasser; eindrin¬gende Feuchtigkeit könnte Verderbnis oder ein Wachstum zur Unzeit her¬vorrufen. Sind aber diese Vorräte unlöslich, wie z. B. Stärke, dann kann sie ja die junge Pflanze auch nicht verwerten: denn nur in Lösung steigen sie hinauf in den Sproß. Doch auch dafür ist gesorgt. Getrennt vom Vorrat wird ein chemischer Stoff aufbewahrt, der im richtigen Augen¬blick, bei richtiger Feuchtigkeit und Wärme, die Vorräte löslich macht. Er verwandelt die Stärke in Zucker, der gelöst in die junge Pflanze wan¬dern kann. Man nennt diesen geheimnisvollen Schlüssel Diastase, ein Fer¬ment, dessen Natur noch wenig bekannt ist.

Außerdem sind die Vorräte in einem Raum gelagert, dessen Wände mehrschichtig und Steinhart sind. Man könnte keinen Keller besser bauen. Jahrhundertelang bleiben hier die Nährstoffe brauchbar. Und im selben Korn, von den Vorräten durch eine dicke Wand getrennt, schläft der Keimling. In ihm schlummert die ganze Kraft und Eigenart der Pflanze,- in ihm wohnt die Sehnsucht nach dem Licht; er wird einst wieder zur hohen Kornpflanze werden.

Bei den Arbeitern im Korn

Die Körnermännlein haben die wichtige Aufgabe, Vorräte aufzuspei¬chern. Sie müssen etwas von Chemie und Physik verstehen; denn diese Vorräte sollen sehr lange aufbewahrt werden, ohne zu verderben.

Da muß zuerst eine dicke, feste Wand gebaut werden. Greif einmal ein Weizenkorn an und spüre, wie Steinhart es ist. Aber oben sind feine Luft¬kanäle eingebaut; sonst könnten die Nährstoffe ersticken.

Die Männlein wissen auch, daß keine Feuchtigkeit eindringen darf und haben deshalb die Nährstoffe wasserunlöslich präpariert, wie z. B. die Stärke. Damit aber das junge Pflänzlein die Vorräte doch verwenden kann, legen sie eine Gebrauchsanweisung bei, wie man aus Stärke wie¬der Zucker machen kann. Die Männlein schaffen unermüdlich und ganz still; denn sie wollen den schlafenden Keimling nicht wecken. Der schläft unter einem dicken Boden und wartet, bis ihn günstige Wärme und Feuch¬tigkeit wecken. Wie froh ist er dann, daß ihm die Körnermännlein so viele Nahrungsmittel bereitgestellt haben. Diese reichen ihm aus, bis er mit seiner Wurzel und seinen Blättern selber dafür sorgen kann.

Das Weizenkorn wird gebaut
Eine Lebensgemeinschaft geht zu Ende

Der Bauer hat im letzten Herbst die Lebensgemeinschaft Kornfeld ge­gründet. Tiere und Pflanzen in großer Zahl haben sich zusammengefun­den und ihr Leben aufeinander abgepaßt. Je länger die Halme wurden, desto reichhaltiger wurde das Leben im Kornfeld. Herrliche Verstecke gab es für große Tiere,- völlig ungestört lebten hier viele Mäuse und ungezählte Käfer und Grillen. Weithin ausgebreitete Ameisenbauten ent­stunden und wurden nicht zerstört, und manches schüchterne Pflänzchen konnte unbeachtet sein zartes Laub entfalten. Es war ein prächtiges Leben im goldenen, sonnendurchglühten Wald der gelben Halme.

Und nun dieser Schrecken! Vorbei alle Herrlichkeit! Zu Bündeln gebunden und aufgestellt sind die Halme. Unbarmherzig brennt die Sonne auf den austrocknenden Boden. Offen liegt das Feld; wo sollte man sich verstecken? Aufgeregt rennen die Ameisen herum; ihr ganzes Lebens­werk ist vernichtet. Der letzte Hase rast völlig verstört dem Walde zu. Die Käfer haben sich rechtzeitig in die Bodenlöcher verkrochen. Aber die armen, kleinen Pflänzchen verdursten langsam und jammervoll im unbarmherzigen Sonnenlicht. So schnell kam der Wechsel, daß man sich nicht anpassen konnte. Zwar gibt es auch hier Bewohner, die einen sol­chen Wechsel im Leben ertragen können. Schon wenige Tage nach der Katastrophe erheben die Löwenzahnpflanzen mit ihren Pfahlwurzeln wie­der ihre Blätter und bald auch die Blüten; ihnen ist die Sonne ganz recht. Gerade in dem Halbschatten des Kornfeldes hatte es keinen Wert, Blüten zu bilden.

Und die stolzen Getreidepflanzen selbst? Ihr Leben ist zu Ende; aber sie haben sich schon lange darauf vorbereitet. Ihnen kommt dieses Geschehen nicht unerwartet. Längstens haben die Halme alle verfügbaren Stoffe an die Speicher oben in den Ähren abgegeben. Längst sind alle Bemühungen daraufhin gerichtet, den Nachkommen erstklassige Nah­rungsstoffe zu hinterlassen. Dabei sind Stengel und Blätter vergilbt, hart und dürr geworden. Die Arbeit ruht; das Getreide ist reif zur Ernte.

Wenn nun die Sense durch das Korn fährt, die stolzen Halme zu Boden sinken, bleiben die einst so wichtigen Wurzeln im Boden und werden verwesen; aber die Pflanze lebt weiter in ihren Samen, den Körnern. Eine 'i neue Lebensgemeinschaft wird wieder erstehen im ewigen Wechsel, be­ginnend im Herbst, ausdauernd im Winter und fruchtbringend im Sommer.

"Weltuntergang" im Kornfeld

Eine herrliche Welt für sich ist das Kornfeld. Hasen, Rehe, Mäuse, Hamster, Käfer, Grillen, Ameisen ohne Zahl fühlten sich wohl in ihrer Welt. Im hohen Wald der Halme ließ sich manche Pflanze nieder, den Schutz wohl schätzend und prächtig gedeihend.

Doch jetzt ist das Unglück geschehen! Alles ist aus. Dort am obern Ende fing es an. Ein blankes Eisen fuhr singend durch die Pracht, und die stolzen Halme sanken lautlos in den Tod. Wehklagend flüchteten sich große und kleine Tiere. Jämmerlich werden die schattenliebenden Pflanzen verdursten in der unbarmherzigen Sonne, die jetzt den Boden austrocknen kann.

Und alle die fleißigen Männchen, die mit so großem Eifer die Halme, das ganze Kornfeld gebaut haben? Wo sind sie hingekommen? Bei den Wurzelmännchen geht es massenhaft ans Sterben. Ihre Aufgabe ist erfüllt; die Wurzel wird verfaulen. Auch die Männchen, die den Kohlenstoff der Luft aufnehmen mußten, haben seit einiger Zeit in der Pflanze keine Arbeit mehr gehabt; sie sind wohl auf andere Arbeitsplätze ausgewandert. Der Halm ist ja gelb; da fehlen die grünen Körperchen, mit denen sie arbeiteten. Einzig die Chemiker in den Körnern, die von der Aufspeicherung etwas verstehen, die sind noch an der Arbeit und werden die Nahrungsspeicher begleiten durch alle Gefahren. Sie werden dafür sorgen, daß die Vorräte nicht verderben und dann nach der Ruhezeit wieder richtig verwendet werden.

So bedeutet auch dieser Untergang nicht ein Ende, sondern nur einen Übergang.

Das Kornfeld stirbt
Ein wichtiger Tag nach der Ernte

Ein dumpfer Ton dröhnt schon seit Stunden von der Scheune des Bauern­hauses her, und Staubwolken steigen aus dem geöffneten Tennstor. Dort steht die mächtige fahrbare Dreschmaschine, die von Haus zu Haus zieht und mit gewaltiger Leistungskraft die Garben «frißt» und Stroh und Kör­ner wieder von sich gibt.

Der Dreschtag wird ausgenützt vom ersten Tagesgrauen bis zum Ein- nachten; andere Bauern brauchen die Maschine auch. Zwei Teile hat die Maschine selbst außer ihrem Antriebswerk, das eine Dampfmaschine oder ein starker Elektromotor ist.

Im obern Stockwerk befindet sich die eigentliche Dreschmaschine. Hier schlägt eine mit Schlagleisten oder Stahlzähnen versehene Walze in rasen­der Umdrehung die Körner aus den Ähren. Der singende Ton rührt von der raschen Umdrehung der Trommel (Tambour) her. Ununterbrochen werden geöffnete Garben auf geschickte Art mit den Ähren voran in die Maschine geführt.

Die ausgeschlagenen Körner rieseln durch verschiedene Siebe samt den Spelzen (Spreu) durch die Maschine nach unten und geraten in die untere Abteilung, in die «Rondel» (Rendel). Ein starker Luftstrom, erzeugt durch ein großes Windrad, das sich sehr rasch dreht, erfaßt alle leichten Fruchtteile wie Spelzen, Strohteile, Blattresten und bläst sie nach vorn aus der Maschine. Die schweren Körner aber fallen durch eine Öffnung nach unten in den angehängten Sack. Windstärke und Bewegung der verschie­denen Siebe können reguliert werden. Es ist darauf zu achten, daß nicht auch Körner aus der Röndel geblasen werden.

Das Stroh, die Halme mit den ausgedroschenen Ähren, wandert einen andern Weg. Es wird gleich nach dem Durchgang durch den Dreschkanal aufgefangen und von einem Strohschüttler mit nach vorn gerichteten Holzkanten nach der hintern Seite der Maschine befördert. Hier rutscht das Stroh in die Presse und wird gleich zu Ballen gepreßt und dann in der Scheune aufgeschichtet. Fehlt die Strohpresse, so wird das Stroh wie­der zu Garben gebunden. Unten füllen sich die Säcke mit Korn, und oben häufen sich die Strohgarben; der Bauer sieht voll Befriedigung das Er­gebnis seiner Arbeit; er überlegt, wieviel vom gewonnenen Korn wie­der zur Aussaat und wieviel als Mahlgut verwendet werden soll.

Der heiße Tag geht zu Ende. Nase und Mund sind voll Staub; schweiß­triefend wird man sich erst am Abend der gewaltigen Arbeit bewußt, wenn die mächtige Maschine dröhnend den Arbeitsplatz verläßt.

In der „Hölle" der Dreschmaschine

Wie herrlich war es für uns Getreidehalme, im warmen Wind zu wogen, in schöner, stiller Nacht zu träumen!

Vorbei! Gepreßt mit vielen Kameraden, stehen wir in dunkler Bühne und erwarten das Schlimmste. Vor uns steht ein gewaltiges Ungetüm; dröhnend frißt es meine Kameraden. Bald komme ich auch daran; wie wird es mir dabei gehen?

Jetzt packt mich der große Mann; er preßt mich kopfvoran in den dunklen Schlund, und kaum bin ich drin, erhalte ich einen fürchterlichen Schlag auf den Kopf, der mich weit abwärts schleudert. Auch am Hals, auf dem Rücken, an Beinen und Armen erhalte ich harte Schläge, werde immer weiter befördert und zweifle sehr, ob ich noch mit dem Leben davonkomme. Dazu dieser unsinnige Lärm I Heulend und sausend geht es in die dunkle, ungewisse Tiefe. Ich habe das Gefühl, daß nur noch mein Kopf mitkommt; Leib, Arme und Beine sind mir abgerissen und scheinen einen andern Weg zu gehen.

Immer tiefer geht es hinab; ein sausender Windstoß reißt mich auf die Seite, schlägt mich an ein Drahtsieb, zerrt mir meine letzten Hüllen ab. Nackt und todmüde falle ich in einen finsteren Sack, wo ich auch meine Brüder wiederfinde. Aber wo sind denn unsere schönen gelben Halme, unsere Blätter und Kornhüllen geblieben ? Alles verloren, aber die Hauptsache gerettet aus der Hölle der Maschine, die Körner, in denen die Kraft und die Pläne liegen zu neuem Werden im nächsten Jahr.

Das Korn wird gedroschen
Vorgänge während der Lagerung des Getreides

Das Getreide wird nach dem Schnitt im Garbenstock aufgeschichtet, um nach etwa zwei Monaten gedroschen zu werden. Vielerorts drischt man es gleich nach der Ernte und bewahrt die Körner an einem trockenen, luftigen Ort auf. In beiden Fällen bedeutet die Lagerung nicht nur Ruhe vor der neuen Arbeit, sondern auch letztes Ausreifen, letzte Vorbereitung beim Keimling und beim Nährgewebe auf die künftige Neugestaltung der Jungpflanze.

Wurde das Getreide — was meistens zutrifft — nicht vollständig trocken aufgeschichtet, dann enthalten Körner, Blätter und Stengel, besonders deren unterste, dickste Teile, noch viel Wasser. Der Garbenstock fängt bald an zu «schwitzen», und es ist sehr wichtig, daß dieses Kondens­wasser möglichst rasch verdunstet; sonst werden sich die immer bereiten Schimmelpilze ansiedeln und Nährstoffe verbrauchen. Der relativ hohe Wassergehalt bedingt auch eine ziemlich rege Atmungstätigkeit der Zellen; das bedeutet aber Zuckerverbrauch und damit Nährverlust. Erst wenn der Wassergehalt auf etwa 15% gesunken ist, sind keine meßbaren Zuckerverluste mehr vorhanden.

Von größter Bedeutung aber ist die eigentliche Nachreife, die immer stärker werdende Keimungsbereitschaft. Frisch geerntete Körner keimen nur sehr zögernd (in 7 Tagen etwa 1/4); zwei Monate lang gelagerte Kör­ner keimen dagegen sehr rasch (in 7 Tagen 99%). Die verzögerte Keimung der eben auf dem Felde reif gewordenen Körner hat ihren tiefen biolo­gischen Grund; denn wenn das Getreide durch Sturm und Regen zu Boden gedrückt wird, die Ähren also die Erde berühren, würden die Kör­ner sofort keimen, und damit ginge das Korn für den Bauern verloren, und die Pflanze müßte auf eine Verbreitung ihrer Art verzichten. Mit wenig Ausnahmen finden wir bei allen Gräsern diese verzögerte Keimung (Ausnahme z. B. Alpenrispengras = lebendgebärendes Rispen­gras).

Bei dieser Nachreife werden vor allem die noch vorhandenen löslichen Transportassimilate (Zucker, einfachere Stickstoffverbindungen) in unlös­liche Reserveassimilate aufgebaut, die erst wieder durch Abbaufermente (Diastase) bei der Keimung für den Pflanzenaufbau verwendbar werden. Begünstigt wird dieser Prozeß durch das Trocknen, sei es auf dem Felde in Puppen oder im Garbenstock. Hier geht es jedenfalls langsamer als bei den aufgeschütteten Körnern nach dem Dreschen. Außerdem verlieren die Reifeenzyme langsam ihre Aktivität, was besonders die Backfähigkeit des Mehls begünstigt.

So zeigt sich, daß trotz der scheinbaren Ruhe wichtige Vorgänge sich abspielen

Scheinbare Ruhe bei den gelagerten Körnern

Da liegen sie, die ungeheuer vielen gelben Körner, müde vom eben durchgemachten schrecklichen Erlebnis in der Dreschmaschine. Doch ihre Ruhe ist nur äußerlich; wichtige Dinge sind vorzubereiten für die neue Aufgabe, die ihnen wartet. Die Körner müssen ja in einigen Monaten wieder aufs Feld, müssen dort keimen, eine neue Pflanze bilden. Das ist ein Werk, das gut überlegt sein muß. Könnte man hineinsehen in die Körner ! Das wäre interessant !  Da wird Zucker gekocht, so daß daraus Stärke entsteht; da werden Nährstoffe in Büchsen eingemacht und andere in Gläsern sterilisiert. Langsam füllt sich das Korn, wie der Keller der Mutter, mit guten Sachen, die so aufbewahrt werden, daß sie nicht ver­derben. Hunderte von Magazinmännlein sind hier tätig, und wenn sie nach etwa 2—3 Monaten endlich fertig sind, dann ist das Korn reif und kann ausruhen. Leider aber lassen ihm nun gewisse Plagegeister nicht recht Ruhe. Sie wollen von außen her zu den Vorräten eindringen; sie versuchen es mit allen Mitteln, die Bakterienmännlein, die schlimmen. Glücklicherweise ist aber der Keller gut verschlossen und die Kellerwand sehr dick und Steinhart, so daß es ganz selten einem dieser Schelme gelingt, einzubrechen und etwas zu stehlen. Hoffentlich hat der Bauer seine Körner trocken aufbewahrt; sonst werden die Schimmelmännlein ihre Netze ausspannen über das Korn und ihm Lebenssäfte entziehen durch die Kellerwand hindurch. Das wäre schlimm, und die Körner wären nicht mehr fähig, ein gesundes neues Pflänzchen zu bilden.. Wir wünschen den Körnern gute Ruhe und viel Erholung !

Die Körner ruhen vor der Arbeit
Die Reinigung des Mahlgutes (Trockenreinigung)

Sauberes Mehl kann nur aus sauberen Körnern gemahlen werden. Von der Dreschmaschine weg wurde das Korn in schweren Säcken in die Mühle geführt. Seit Jahren bringt der Bauer sein Korn in dieselbe Kunden­mühle ; er kennt den Müller und vertraut ihm,- er freut sich auf das herr­liche Mehl aus seinem Korn.

Handelt es sich um eine Spelzfrucht wie Korn (Spelt, Spelz, Dinkel), dann wird zuerst entspelzt oder geröllt. Spelzen, Spreu werden auch in der Notzeit nicht ins Mehl gemahlen. Zwei Mahlsteine, nahe beieinander sich bewegend (siehe Seite 36), stellen die Körner auf und reißen ihnen die Spelzen ab, ohne das Korn zu verletzen. Die Kornrölle ist also keine Mühle, wenn auch bei dieser ebenfalls zwei Mühlsteine, der untere fest­stehend, der obere sich drehend, verwendet werden. Die Nacktfrucht (Roggen, Weizen) muß nicht entspelzt werden.

Da mit den gelieferten Körnern auch Unkrautsamen (Senf) oder nütz­liche Samen (Raps), außerdem Fremdkörperchen aller Art mitgebracht werden, sind noch andere Reinigungsmaschinen nötig. Der Trieur ist eine komplizierte Maschine, in der mit Hilfe von Sieben, durch Schütteln und mit Durchblasen die Trennung der Körner von den fremden Körpern vorgenommen wird. Im zuführenden Holzrohr entzieht ein Magnet dem Mahlgut alle eisernen Verunreinigungen (Nägel, Drahtstücke usw.). Der Trieur ist meist trommelförmig und wird rasch gedreht. Der Landwirt kann diese Säuberung auch vorher von der Genossenschaftsmaschine durchführen lassen. Er muß dies ja auch bei seinem Saatgut besorgen, sonst ist sein Getreidefeld von Anfang an schon verunkrautet.

Das Mahlgut wird nun in die Scheuermaschine geleitet, meist durch ein Becherwerk in Holzröhren. Wie die Rolle, besteht diese Maschine aus zwei runden Steinen (Naturkalke oder Kunststein), deren Entfernung man regulieren kann. Die rauhen Flächen dieser Steine, von denen sich der obere dreht (Läufer), stellen das Korn auf und reiben ihm am obern Ende das Bärtchen und am untern Ende den Keimling (Embryo) ab. Das Bärtchen besteht aus jenen feinen, hohlen Haaren, die wahrscheinlich der Entlüftung des Korninnern dienen. Der Keimling wird entfernt, weil er — wie die Härchen — den Geschmack des Mehls unangenehm beeinflußt; er könnte auch einen Verwesungsprozeß begünstigen. Saatgut wird natür­lich nicht gescheuert und Viehfutter nicht vorher gereinigt.

Damit sind die Körner bereit, der eigentlichen Mühle zugeführt zu werden.

Reinigungsanstalt „Rölle und Scheuer"

Gerade so, wie es aus der Dreschmaschine kam, wanderte das Korn mit vielen tausend andern in die Mühle, deren erste Abteilung die Reini­gungsanstalt ist.

Da muß das Korn Schreckliches erleben. Die Sauberkeit ist höchstes Gebot. Ohne daß sich das Korn wehren kann, wird es von Hunderten von Männlein, wahren kleinen Sauberkeitsteufelchen, auf und ab, hin und her, durch dunkle Röhren, zwischen luftigen Steinschluchten hindurch­gedrängt, gestoßen, gewirbelt, daß ihm Hören und Sehen vergehen.

Unbarmherzig werden ihm in der Rolle die schützenden Hüllblätter (Spelzen) abgerissen. Im Trieur wird es von den Maschinenmännchen wild umhergerüttelt; kalter Wind fährt ihm über den Rücken, und alle Augenblicke stürzt es in ungewisse Tiefen. Wieder packen die Männchen zu und stoßen das Korn durch ein großes, dunkles Loch zwischen haus­hohe Steine, von denen sich der obere wie rasend dreht.

Au, da geht es ans Lebendige. Ritsch, ratsch werden dem Korn die lieben Haare abgeschnitten, und kaum hat es sich davon erholt, reißt der rauhe Stein ihm auch einen Teil des Unterleibes ab. Eilig schleppen die Männlein die abgeriebenen Teile weg. «So geht es zu in der fürchter­lichen Scheuermaschine», denkt das Korn, «wenn ich da nur am Leben bleibe.»

Doch es soll noch viel schlimmer kommen in der Mühle. Vorläufig hat das Korn etwas Ruhe; es schläft ein und sieht nur noch das höhnische Lächeln der Männlein aus dem Reinigungsinstitut, die bereits wieder andere Opfer in Rölle und Scheuermaschine mahlbereit machen.

Kornreinigung
Mehlbereitung nach alter Väter Sitte

«Dort unten an der Mühle saß ich in guter Ruh
Und sah dem Räderspiele und sah den Wassern zu . ..»

Welche Romantik liegt doch um eine Mühle! Rauschend stürzt sich das Wasser des eingedämmten Bächleins auf die hölzernen oder eisernen Schaufeln des mächtigen Rades. Ächzend und zitternd im ganzen Gefüge dreht es sich, mit ungeheurer Kraft die ganze Mühle mit all ihren Rädern in Betrieb setzend. Eine Klappe, von der Mahlstube aus bedient, läßt den Wasserstrom vor dem Rad oder in die Schaufeln des Rades fallen, so daß dieses stillesteht oder sich in Bewegung setzt. Die dicke Achse des Wasserrades setzt sich durch die Mauer hindurch fort in den Mahlraum. Dort treibt ein an der Achse laufendes Zahnrad die Mahlsteine. Der obere Stein, der Lautstem, dreht sich in raschem Gange über dem Boden-stein. Beide Steine sind an den einander zugekehrten Flächen so gerillt, daß die Körner in den Rinnen von innen nach außen wandern müssen. Durch das große Loch in der Mitte des Laufsteines werden die Körner eingeschüttet; sie geraten zwischen die Rillen und Rippen der beiden harten Kalk (oder Kunst-) steine und werden zerrieben, zunächst in ziem¬lich groben Grieß, dem auch alle Kleie-Bestandteile beigemischt sind. Im zweiten Mahlgang, zwischen feinen, gerillten Steinen, wird der Grieß in feines Mehl gemahlen. Die Kleie wird vom eigentlichen Mehl (Stärke¬körner innerhalb der Zellen des Kornes) getrennt durch Siebe ver-schiedener Dichte (Plansichter der modernen automatischen Mühlen). Die Spalte zwischen den beiden Mahlsteinen kann man beliebig verstellen und dadurch die Feinheit des Mehles bestimmen und der verschiedenen Getreideart Rechnung tragen. Welche Erfahrung ist nötig, um diese Ma¬schine richtig zu bedienen I Wieviel Handarbeit ist bei einer solchen Maschine immer noch nötig I Nicht jeder Müller liefert seinen Kunden gleich schönes und gutes Mehl. Heute werden die Mahlsteine vielfach nur noch als Scheuermaschinen im Reinigungsprozeß verwendet (s. Seite 31.)
Die Mehlbereitung wurde schon von unsern frühesten Vorfahren aus¬geübt. Handmühlen sind überall bei primitiven Völkern noch im Betrieb und liefern brauchbares Mehl. Aber auch hier hat die Technik gewaltige Verbesserungen in der Feinheit, Sauberkeit und Schnelligkeit des Mahlprozesses zustande gebracht.
Nur durch diese Verbesserungen ist die Mannigfaltigkeit unserer Backwaren, die wir so schätzen, möglich geworden. Erst muß der Müller seine Sache gut machen, dann kann der Bäcker Gutes backen.

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp, klapp!

Es ist wunderbar, in die Geheimnisse der Mühle einzudringen. Hinter einem großen Holderbusch versteckt ist eine alte, halbzerfallene Türe, die ganz naß ist. Dort gucken wir hinein. Wasser sprüht uns auf den Kopf, und ächzend und zitternd dreht sich das riesige Wasserrad unter der Kraft des herabstürzenden Baches.
Und erst drinnen in der Mahlstube I Tausende von Mahlmännlein sind am Werk. Dort oben leeren sie einen Sack in einen Trichter, und unten rinnt weißes Mehl aus einem Holzkänel in einen großen Sack. Aber was ist da drin in dem hölzernen Gehäuse ?
Machen wir uns einmal klein wie ein Korn und stürzen uns hinein in den Trichter. Finster ist das große Loch. Unbarmherzig werden wir mit den Körnern zwischen zwei Steinen hindurchgedrückt, gestoßen, geklemmt. Kopf unten, wieder oben, Püffe von rechts und links, daß uns Hören und Sehen vergeht! Wie werden wir wieder herauskommen? Dafür haben wir gar nicht zu sorgen; denn plötzlich wird es hell, und wir fallen durch ein Holzrohr in den großen Sack hinunter, ins feine, weiße Mehl. Und unsere Begleiter, die Körner ?
Kein Korn ist mehr heil geblieben. Zwischen den harten Kanten und Rillen der sich so rasch drehenden Mahlsteine sind die Körner zerrieben und zerdrückt worden. Mehl ist daraus entstanden, herrliches, weißes Mehl. Wir aber wagen die Reise nicht noch einmal. Es ist gefährlich, in die Hände der harten Mahlmännlein zu fallen.

Zwischen zwei Mühlsteinen

Aus Getreidekörnern wird Mehl

Das Mahlgut ist bereit, gereinigt, gewogen und im Mahlkontrollbuch eingetragen. Das Mahlen kann beginnen.

Das Becherwerk, das wie alle Maschinen der Mühle vom gewaltigen Wasserrad angetrieben wird, schafft die Körner in dauerndem Fluß nach oben zur Aufschüttöffnung der Walzenmühle (siehe schematisierte Darstellung; es gibt auch andere Mühlen, siehe Seite 36). Hartstahlwalzen (oder solche aus Porzellan) mit scharfen Rillen in Längsrichtung, die sich gegenseitig mäßig schnell bewegen, nehmen die Körner auf und zerschneiden mit großer Kraft diese harten Samen. Nebeneinander liegen vielleicht 4—8 Walzenpaare, mit stets feinerer Rillung versehen, somit das Mahlgut auch stets feiner verarbeitend. Das letzte Walzenpaar besitzt keine Rillen mehr, arbeitet also durch Druck allein, und aus seiner Mahl-spalte rinnt das fertige, äußerst feine Mehl, dessen Einzelkörnung wir kaum mehr sehen können.

Die schwierigste und komplizierteste Aufgabe im modernen Mahlprozeß besteht darin, das Mahlprodukt von Walzenpaar zu Walzenpaar zu leiten und dabei Samenhaut- und innere Zellgerüstteile vom eigentlichen Mehl, also der Füllung der Zellen, zu trennen. Über dem Walzenkasten schwingt der Plansichter rasch hin und her. In seinem Innern befinden sich Tablare und Fächer in großer Zahl sinnvoll angeordnet. Das kräftige Schwingen und Schütteln des ganzen großen Plansichterkastens verursacht nun nicht nur die stetige Vorwärtsbewegung des Mahlgutes, sondern auch seine Verteilung auf die Walzen und die wichtige Abtrennung des eigentlichen Stärke- und Kleberanteils der Körner von den Zellulosebestandteilen der Hülle und des innern Zellgerüstes. Der Plansichter ist wohl der genialste Teil einer modernen Mühle. Er ermöglicht es, sowohl feinstes Semmelmehl wie auch Grießmehl in jeder erwünschten Sorte her¬zustellen. Wird das Mahlgut weggeleitet, bevor es alle Walzen passiert hat, dann erhält man Grieß.

Die rasch laufende Maschine erwärmt sich stark, muß deshalb durch ein Gebläse abgekühlt werden; denn die Erwärmung der Stärke könnte bereits Quellung verursachen, wodurch das Mehl an den Walzen kleben und außerdem nicht mehr backfähig bleiben wurde.
Die heutigen Notzeit-Vorschriften verlangen eine weitgehende Mitverwendung der Zellulosebestandteile (siehe Seite 42).

Bei den kleinen Müllern

Sauber gereinigt wird das Korn auf dem Becherwerk von den kleinen Müllerchen herbeigeschleppt und in den Trichter geworfen, der zu den Walzen führt.

Unbarmherzig wird dort das Korn zerschnitten, gedrückt, verkleinert, bis sein weißer Leib zu feinem Mehl geworden ist.

Die kleinen Mühlenmännchen haben dabei viel zu tun. Sie müssen dar¬auf sehen, daß die zerschnittenen Körner, die aus dem ersten Walzenpaar rinnen, in das nächste gelangen. Sie müssen schaufeln, schleppen, leiten, schütteln, damit das Mehl am richtigen Ort aus der Mühle rinnt. Die wichtigsten Männchen sind oben im Plansichter überder Mahlmaschine; ihre Arbeit ist so wichtig, daß ohne sie kein feines Weißmehl (Semmel) zustande käme. Die besten Arbeiter haben die Aufgabe, die Stärke- und Eiweißkörnchen herauszulesen und zu trennen von den Schalenteilen und den harten Fasern aus den Zellwänden; das ist eine wichtige Arbeit, die nur gelernte Arbeiter erfüllen können.

Überall in der Maschine stehen Männlein und schaufeln Körner, Grieß oder schon Mehl. Zwei Männlein treiben einen Windapparat, der kalte Luft durch die Mühle bläst; denn die Maschine wird allmählich warm, und das ist nicht gut für das Mehl.
Alle haben Freude, wenn dann dank ihrer fleißigen Arbeit prächtiges, feines, wohlriechendes und backfähiges Mehl in den angebundenen Sack fließt.

Das Korn wird gemahlen
Das beste Brot ist Vollkornbrot!

Das sagt meistens der Mediziner nicht, auch vielfach der Ernährungsbiologe nicht; das sagt auch nicht der Mensch mit schwachem Magen, nicht der verwöhnte Weißbrotesser, sondern zu diesem Urteil kommt derjenige, der auf den Nährgehalt sieht, der ein gesundes Verdauungsorgan hat, der sich klar macht, welche Werte allein durch das Mahlen der Stärke verloren gehen, derjenige, der auch Vitamine mit dem Brot auf¬nehmen will.
Die Notzeit des Krieges hat die Behörden veranlaßt, Weisungen heraus¬zugeben, die ein so weitgehendes Ausmahlen verlangen, daß der Bürger nur noch Vollkornbrot essen kann. Versteht auch der Bäcker seine Sache, dann entsteht ein Brot, das ein vollwertiges, kräftiges und wohlschmek- kendes Nahrungsmittel für jedermann sein kann und ist.
Auf nebenstehender Tabelle (Zahlen nach Berg-Vogel) zeigen die farbigen Streifen auf den ersten Blick die gewaltigen Nährstoffverluste bei denjenigen Mehlen, die auf die Kleie verzichten. Bis das feine, oft sogar noch künstlich gebleichte, weiße Semmelmehl aus der Mühle rinnt, hat man mit allen Mitteln der Technik (siehe Seite 39) diejenigen Teile des Korns entfernt, die nicht reine Stärke sind, soweit dies physikalisch möglich ist. Nur 30% des Korns werden als Mehl verwendet, das allerdings leicht verdaulich und sauber und schön ist und auch vom schwächsten Magen vertragen werden kann, da es den Darm nicht im geringsten reizt. Hier hat es sicher seine Bedeutung als Krankennahrung. Bedenkt man aber, daß z. B. gerade in der Schale die meisten Mineral-, also Geschmacksstoffe und die Vitamine sich befinden, dann muß der Verlust dieser Teile doch als schlechte Ausnützung bewertet werden.
Wird die Samenhaut des Korns mitgemahlen, dann wird das Mehl dunkler, damit auch das Brot. Wird die Rohfaser (Zellulose), auch diejenige der Zellwände im Innern, mitgemahlen, dann wird das Mehl rauher und übt im Darm eine für gesunde Verdauungsorgane sehr nützliche Reizung aus.
Bei der Reinigung des Getreides (siehe Seite 33) wurde auch der Keimling entfernt; denn er wird leicht ranzig, bitterschmeckend und verdirbt das Mehl. Es gibt aber Brotsorten, wo auch er nach einer beson¬deren Behandlung verwendet wird (Klopferbrot); denn er enthält Eiwei߬stoffe, Mineralstoffe, Fett, etwas Zucker — Vorräte für die neue Pflanze — und ist somit sehr wertvoll.
Bauernbrot war von jeher eine Art Vollkornbrot; zwar nicht reines, aber es wird seines Geschmackes und heute auch seines Gehaltes wegen hochgeschätzt.

Das Korn wird zerzaust

«So, meine Männlein, jetzt werden wir uns einmal ein Korn hernehmen und es nach allen Möglichkeiten säubern, auftun, zerreißen, bis wir tief im Innern das feine weiße Stärkemehl gefunden haben, das so gutes Brot gibt.

Sofort machten sich zwei Männlein daran, dem Korn die langen Haare auszuziehen, die wie kleine Röhren herausragten. Mit scharfen Messern wurde dann der schlafende Keimling losgetrennt und fortgetragen; der arme Kerl wird zugrunde gehen, wenn er seine Nahrung nicht mehr findet.

Zwei andere geschickte Männlein fangen an, mit den Messern die gelb¬braune Schale zu lösen; auch die muß weg.

Wieder andere haben das Korn geöffnet und zerren an einem feinen, schleierartigen Fadengebilde, das sie auch endlich herausbringen und fortschleppen.

Nun aber rieselt der feine, weiße Staub der ungezählten Stärkekörner aus dem zerfallenden Korn. Bald liegt von diesem nur noch ein schnee¬weißes Häufchen da, und daraus soll Mehl gemacht werden — so hat es das Obermännlein befohlen.

«Und nun, wie steht's? Seid ihr fertig, meine Männlein? Schaut das wunderbare feine Mehl, das muß ein herrliches Brot geben I»

«Herr Chef, ist es nicht schade für alle die abgerissenen Teile des Korns, die wir wegschleppten? Ich glaube, es hat dort drin auch gute Sachen?» — «Ich habe davon probiert, Herr Chef; der Keimling war ganz fettig, und Fett ist doch nötig I» — «Und ich finde, daß auch die Schale ganz gut schmeckt, so salzig und nicht nur fade wie die weiße Stärke I» — «Und, Herr Chef, wo haben Sie denn die Vitamine ? Ohne diese modernen Lebensstoffe kann man doch kein gutes Brot haben?»

«So, so, ihr, meine Männlein, ihr habt euch da allerhand gedacht bei der Arbeit; aber vielleicht habt ihr recht; ich will das einmal untersuchen und ausprobieren; das ist sehr wichtig.»

Das Obermännlein kam zur Einsicht, und nie mehr hat es verlangt, daß man dem Korn alle seine wichtigen Kleieteile wegreiße und fortwerfe.

Vom Ausmahlen des Roggenkorns

Gesundes Mehl gibt auch gesundes Brot

Bevor das Mehl zum Backen verwendet werden kann, ist es auf mannigfache Art auf seine Güte zu untersuchen. Es braucht den erfahrenen Be¬rufsmann, um mögliche Fehler herauszufinden; alle seine Sinne sind bereit zur Prüfung; und dann verbleiben immer noch die technischen Mittel der Lebensmittelchemie und die Kontrolle durch den Lebensmittel-inspektor.
Mit geübtem Blick erkennt der Bäcker schon an der Farbe den Grad des Ausmahlens, weiß also zu beurteilen, wieviel Kleie beim Ausmahlen dem eigentlichen, schneeweißen Semmelmehl beigemischt wurde. In der heutigen Kriegsnotzeit ist bereits auf diese Weise zu kontrollieren, ob das staatlich vorgeschriebene Quantum an Kleie im Mehl enthalten ist.
Wie vorsichtig hält der Müller in der offenen Hand eine Mehlprobe an die Nase und erforscht den Geruch. Leicht erkennt er den säuerlichen oder muffigen Dunst, den das Mehl ausströmt, in dem chemische Um¬setzungen vor sich gehen oder Schimmelpilze sich entwickeln. Eigentlich hat das gesunde Mehl keinen Geruch; es entströmt ihm eine erfrischende Kühle, die geruchlos ist.
Ebenso ist es beim Geschmack. Auch hier kann man nicht eigentlich eine der 4 Geschmacksrichtungen erkennen. Ob man die Spitze der Zunge (mit den Organen für den Geschmack: süß) oder andere Teile der Zunge mit dem Mehl in Berührung bringt, nirgends soll bei gutem Mehl eine stärkere Reizung der Geschmacksorgane eintreten. Ist das Mehl bitter, kratzt es auf der Zunge, schmeckt es säuerlich, dann ist etwas nicht in Ordnung, und das Backen wird kaum recht gelingen.
Wie eigentümlich nimmt der Bäcker das Mehl in die Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger, tastet aufmerksam hin und her, glättet und rauht wieder auf, läßt es durch die Finger rinnen und beachtet genau, ob es gut körnig, trocken, nicht zu glatt und doch fein auszustreichen ist. Sein geschulter Tastsinn verrät ihm viel über die Qualität des Mehls, trotzdem sich die Mehle der verschiedenen Kornarten wieder ganz verschieden anfühlen.
Das sicherste Mittel, die Backfähigkeit des Mehls zu ergründen, besteht darin, daß mit einer kleinen Mehlmenge eine Backprobe vorgenommen wird. Diese Probe zeigt am deutlichsten, ob das Mehl seine wichtigste Eigenschaft besitzt: in der Wärme des Ofens sich in jene herrliche, wohl¬schmeckende Masse zu verwandeln, die wir Brot nennen. Die starke Aus¬mahlung des heutigen Mehls erschwert das Backen immer mehr. Auch der Bäcker wird immer mehr ein Künstler seines Berufes.

Das Mehl im Examen

Bevor sich das Mehl im Backofen in duftendes Brot verwandeln darf, muß es ein Examen bestehen, das nicht leicht ist.

Es wird angeschaut von den prüfenden Augen des Bäckers. Es muß seine Farbe zeigen, die nicht zu dunkel und nicht zu hell sein darf. Die Farbe läßt erkennen, wieviel dunkle Kleie sich mit dem weißen Semmelmehl mischt.

Es wird berochen, gründlich und lang in der hohlen Hand des Meisters. Wehe, wenn der Prüfling sauer oder muffig schmeckt! Da kann er die Prüfung nicht bestehen und fällt durch.

Es wird in den Mund genommen und muß seinen Geschmack feststellen lassen. Nicht süß, nicht sauer, nicht bitter und nicht salzig darf das arme Mehl schmecken. Ja, wie soll es denn sein? Gar kein Geschmack, das ist das beste.

Es wird zwischen den Fingern betastet, hin und he; gerollt, gestreichelt und geblasen. Was soll wohl da geprüft werden? Trocken, körnig, rauh und nicht zu glatt, das sind die guten Eigenschaften, die das Mehl haben muß.

Es wird zu Teig gemischt, nur versuchsweise in kleiner Menge. Da soll es zeigen, ob es gut aufgeht, ob schon der Teig sich gut machen läßt und ob eine schöne braune Kruste entsteht. Das ist die schwerste Prü¬fung; da wird es dem Prüfling heiß, und alle Schwächen kommen unbarmherzig ans Tageslicht.

Es wird vielleicht noch dem Kantonschemiker eingesandt, dessen ätzende, zersetzende Mittel auch jede Eigenschaft erkennen.

Und wenn die Prüfung gut bestanden ist, dann frisch auf in den Backtrog und den Ofenl Es gibt gutes Brot, allen Menschen zur Freude.

Das Mehl wird gründlich geprüft

 


Somit wäre alles bereit zum Brotbacken  In einem weiteren Beitrag bereiten wir den Brotteig zu und sehen, was damit in der Hitze des Ofens geschieht.

Fortsetzung folgt.

 
 
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