Die Turbinen und deren Regulatoren auf der Schweiz. Landesausstellung in Genf 1896.
Von Franz Prásil Professor am eidgen. Polytechnikum.
I.
Zu den Objekten, welche in erster Linie geeignet waren, dem Besucher der Maschinenhalle die Tätigkeit und Leistungsfähigkeit der schweizerischen Maschinenindustrie zu charakterisieren, zählen unstreitig diejenigen des Turbinenbaues. Fast sämtliche der in dieser Branche produzierenden Firmen der Schweiz haben die Ausstellung beschickt und teils in hervorragenden Einzelausführungen, teils in wohlgelungenen Gruppierungen und Kollektionen einen anschaulichen Aufschluss über ihre Leistungsfähigkeit und damit gleichzeitig den Fachgenossen Gelegenheit gegeben, nicht nur die Neuerungen, sondern auch die neuen Anforderungen an Disposition, Konstruktion und Ausführung auf diesem Gebiete des Maschinenbaues kennen zu lernen.
Es soll im Folgenden versucht werden, durch einen beschreibenden Bericht über die ausgestellten Turbinen und deren Regulatoren darzuthun, dass die gebotene Gelegenheit auch dankbar benutzt wurde.
In diesem Bericht wird vorerst eine Uebersicht über die Systeme der ausgestellten Objekte und eine allgemeine Beschreibung derselben gegeben und dann auf die detaillierte Beschreibung der einzelnen Ausführungen nach Firmen geordnet übergegangen werden.
Weitaus die grösste Anzahl der ausgestellten Turbinen sind Hochdruckturbinen auf horizontalen Achsen mit oder ohne automatische Regulierung; es waren solche ausgestellt von den Firmen
· N. Bauhofer, mechanische Werkstätte und Giesserei Baden (Aargau),
· Aktiengesellschaft der Maschinenfabrik von Theodor Bell &. Co. in Kriens bei Luzern,
· U. Bosshard, Ingenieur in Zürich,
· Aktiengesellschaft der Maschinenfabriken von Escher Wyss & Co. in Zürich,
· Piccard & Pictet, vorm. Fäsch & Piccard in Genf,
· Aktiengesellschaft vorm. Joh. Jak. Rieter in Winterthur,
· Ateliers de constructions mécaniques in Vevey.
Die ausgestellten Hochdruckturbinen sind ausnahmslos als partial beaufschlagte Aktionsturbinen gebaut, unterscheiden sich jedoch, abgesehen von den Abweichungen der Detailkonstruktion einerseits in der Form der Laufrad-Schauflung, anderseits in der Beaufschlagungsrichtung.
Hinsichtlich der Form der Schauflung ist die grössere Anzahl derselben mit löffelförmigen Laufradschaufeln, also ähnlich den Peltonrädern. mit oder ohne Mittelgrat ausgeführt, wobei jedoch von den verschiedenen Firmen wesentlich von einander verschiedene Schaufelprofile verwendet wurden.
Durchgehend sind diese Turbinen für äussere Beaufschlagung aus einem einzigen Leitkanal mit regulierbarer Ouerschnittsöffnung konstruiert und der Leitapparat mit Rücksicht darauf mit einem Regulierorgan versehen, welches bei Turbinen mit automatischer Regulierung durchwegs in Form einer, um eine horizontale Achse drehbaren Zunge, bei Turbinen mit Regulierung von Hand ebenfalls in Form einer solchen Zunge oder aber als Schieber ausgeführt ist. Die bei diesen Turbinen verwendeten automatischen Regulierungen wirken ausnahmslos hydraulisch.
Eine kleinere Anzahl von Hochdruckturbinen, ausgestellt von den Firmen Piccard & Pictet und J. J. Rieter sind mit Girard-Schauflung entweder als innenbeaufschlagte Radial-Aktionsturbinen mit ein, zwei, oder mehreren, durch Schieber abdeckbaren Leitkanälen oder als Tangentialräder konstruiert, bei welch' letzteren die Beaufschlagung wieder ausnahmslos aus einem einzigen Leitkanal mit, durch Zunge oder Schieber, regulierbarem Austrittsquerschnitt erfolgt.
Die automatischen Regulierungen dieser Turbinen wirken, mit Ausnahme einer hydraulischen von Piccard &Pictet, mechanisch.
Alle Hochdruckturbinen sind mit Gehäusen aus Gusseisen oder in Blechkonstruktion versehen, die Lagerungen der Turbinenwellen mit Rücksicht auf die hohen Tourenzahlen reichlich bemessen und die meisten mit automatischen Ringschmierungen ausgerüstet.
Mitteldruckturbinen waren fünf Stück und zwar je eine von der Maschinenbaugesellschaft Basel, von Bauhof er & Co., von Theod. Bell & Co., von Piccard & Pictet und von den Ateliers de constructions mécaniques in Vevey ausgestellt: mit Ausnahme der geschlossenen Partial-Girardturbine auf vertikaler Welle von Basel sind diese Turbinen als Radialturbinen mit horizontalen Achsen und äusserer Beaufschlagung konstruiert. Sämtliche dieser Ausführungen unterscheiden sich sowohl bezüglich der allgemeinen Anordnung, als auch in der Detailkonstruktion wesentlich voneinander.
Niederdruckturbinen in kompletter Ausführung gab es nur drei Stück und zwar von Escher&Wyss & Co. je ein System der von dieser Firma für die Installationen zur Ausnützung der Wasserkräfte an der Rhone in Genf und Chèvres gelieferten Reaktionsturbinen; von J. J. Rieter eine normale Axial-Girard-Turbine mit Regulierung.
Die Firma Bell & Cie. zeigte Details der von ihr für die Installationen in Rathausen und Ruppoldingen ausgeführten Konstruktionen.
Auch diese Turbinen sind sowohl hinsichtlich der allgemeinen Anordnung, als auch hinsichtlich der Detailkonstruktion wesentlich verschieden voneinander ausgeführt.
Automatische Regulierungen waren teils in Verbindung mit den ausgestellten Turbinen, teils als Einzelobjekte zur Ausstellung gebracht von den Firmen Bell & Cie., Ingenieur Bosshard, Escher Wyss & Co., Piccard &Pictet, Rieter & Cie. und Ateliers de constructions mecaniques de Vevey
An allen diesen Apparaten, welche bei den heutigen Anforderungen bezüglich rascher und präciser Regulierbarkeit der Motoren von hervorragender Wichtigkeit sind, können fünf Hauptteile unterschieden werden, und zwar
1. das die Verbindung zwischen dem Regulierorgan an der Turbine und dem Regulator herstellende Reguliergetriebe;
2. der Servomotor, der die zur Bewegung des Regulierorganes nötige Betriebskraft liefert;
3. ein die Wirksamkeit des Servomotors bestimmendes, unter dem Einfluss des Centrifugalregulators stehendes Hilfsorgan — gleichsam die Steuerung des Servomotors — ;
4. der Centrifugalregulator, von welchem bei eintretenden Geschwindigkeitsänderungen an der Turbinenwelle die zur Erregung der Wirksamkeit des Servomotors nötige Bewegung des Hilfsorganes eingeleitet wird, und endlich
5. eine Rückführung, durch welche bei eingetretener Bewegung des Reguliergetriebes das Hilfsorgan in die der Wirkungslosigkeit des Servomotors entsprechende Mittellage zurückgeführt wird ( Der Zweck dieser Rückführung ist die Verhinderung des Ueberregulierens siehe Lincke\ «Das mechanische Relais“, Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, Jahrgang 1879, und Stodola \ «Ueber die Regulierung von Turbinen», Schweiz. Bauzeitung Bd. XXII Nr. 17— 20 und Bd. XXIII Nr. 17 und 18.)
Bei den hydraulisch wirkenden Regulatoren besteht das Reguliergetriebe lediglich aus einem, die Regulierzunge mit einem Kolben verbindenden Gestänge, welcher Kolben in einem hydraulischen Cylinder beweglich, mit demselben und mit der Leitung für eine in konstanter Strömung und unter Druck stehenden Flüssigkeit als Träger motorischer Kraft, den Servomotor für die Bewegung der Zunge bildet.
Indem hiebei diese Kraftflüssigkeit nur auf die obere Seite des Kolbens wirkt, während die untere Kolbenseite einem im allgemeinen ziemlich konstanten Druck ausgesetzt ist, so wird der Servomotor und hiemit die Zunge so lange in Ruhe bleiben, als die Pressung der Kraftflüssigkeit über dem Kolben so gross ist. dass der Kolben keinen Ueberdruck erleidet; sowie aber die Flüssigkeitspressung über dem Kolben verändert wird, tritt eine Bewegung des Kolbens im Sinne des Ueberdruckes ein, der Servomotor wirkt, und zwar so lange, bis durch abermalige Pressungsänderung der Ueberdruck wieder aufgehoben ist.
Diese Pressungsänderung wird nun dadurch hervorgerufen, dass die in Bewegung befindliche Flüssigkeit durch die Veränderung der Lage eines in die Leitung eingeschalteten Ventiles gegen seine Sitzfläche einer veränderlichen Drosselung ausgesetzt wird, wobei dieses Regulierventil an einer solchen Stelle angeordnet ist, dass die durch die
Drosselung hervorgebrachte Pressungsänderung auch in dem von motorischer Flüssigkeit ausgefüllten Cylinderraum zur Wirkung kommt (v. untenstehende Zeichnung).