Die Geistermühle im Luzernerbiet - Mühlenkalender

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Die Geistermühle im Luzernerbiet

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Eine Geschichte aus dem „Grossen Zuger –Kalender“ für 1870
Die Geistermühle im Luzernerbiet

Mitten im reichgesegneten und schönen Luzernergäu, in der Nähe eines seiner lieblichen, blauen Seen, die aus immer grünen Nahmen wie spiegelklare Mädchenaugen den stolzen Hochalpen mit ihrem ewigen Schnee und Eis entgegenlachen, steht in einem kleinen, romantischen Seitentälchen unter riesenmäßigen Nussbäumen halb verborgen ein verfallener weitläufiger Bau. In dem Bau klapperte vor etwa siebzig Jahren Tag und Nacht, Sonn- und Feiertage ausgenommen, eine lustige Mühle mit doppeltem Mahlgange in ruheloser Bewegung. Jetzt steht das mit grauen Flechten überdeckte große Wasserrad halb in Trümmern still, und der Überall rinnenden, uralten hölzernen Wasserleitung stürzt sich der klare, rauschende Mühlbach über dunkles Gestein dem spiegelklaren See entgegen. Grünes Moos überzieht mit seinem Sammet Teppich das durchlöcherte Schindeldach. Die hellen Fensterscheiben, die damals, als die muntere Mühle noch klapperte, im frischen Strahl der Morgensonne, wie blitzende Diamanten ins Feld hinaus glitzerten, haben Sturm und Wetter längst zertrümmert. Die öden Fensteröffnungen, in denen nur noch hie und da verwitterte Rahmentrümmer stehen geblieben, grinsen wie die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels schauerlich den einsamen Wanderer an, der sich etwa zur Seltenheit einmal hierher verirrt. Unheimliche Stille umgibt den Bau. Kein munterer Vogel nistet in seiner Nähe. Kein freundliches Menschengesicht blickt aus seinen öden Fensterhöhlen, kein frommer Christengruß, Gelobt sei Jesus Christ, tönt aus der weit offenen Haustür dem Fremdling entgegen. Fragt er bei der nächsten menschlichen Wohnung nach dem Namen des verfallenen Baus, so wird ihm die geheimnisvolle Antwort: „Das ist die Geistermühle“.

So ist es auch mir vor Jahren gegangen, als ich auf einer kleinen Lustreise dort vorbeigekommen. Ein zitternder Greis mit silberweißen Haaren, der vor der Tür unter dem weit herausragenden Vordach eines entfernten Nachbarhauses auf dem Bänklein saß und sein kurzes Buchsbaumpfeifchen mit Behagen rauchte, hatte mir den gleichen Bescheid gegeben. Ich wollte mich natürlich mit diesem kurzen Bescheid nicht begnügen und setzte mich daher vertraulich zu dem Greisen aufs Bänklein. „Ja, sagt mir, Grossvater“, fuhr ich weiter fort, „woher kommt der sonderbare Name? Sollen etwa Gespenster umhergehen in der verfallenen Mühle?“ „Ja, ja, so hat man zu meiner Zeit steif und fest behauptet und vom alten Mauser Kaspar, der ein Frohnfastenkind war und mehr konnte, als bloss Brot essen, habe ich es aus seinem eignen Munde gehört, wie er einmal in der heiligen Adventszeit Abends nach Betglocken läuten den alten Müllerbaschi habe wandeln sehen, den Mühlenbach hinauf mit weißer gradaufstehender Zipfelkappe, dabei tuchenbleich im Gesicht, und im weißen Müllergewande“. „Hört, Großvater“, sprach ich sehr zudringlich, „tut mir den Gefallen und erzählt mir die Geschichte vom Müllerbaschi und der Geistermühle. Füllt Euch Euer Pfeifchen aus meinem Tabaksack, es ist feiner Barinas, und ich glaube, er soll Euch schmecken“. Der Greis füllte sich ohne Widerrede sein Pfeifchen mit meinem edlen Kraute, schlug bedächtlich Feuer, da er von den neumodigen, feuergefährlichen Zündhölzchen nichts wissen wollte, legte den brennenden Schwamm auf den Tabak, schloss den Deckel, tat einige tiefe Züge, nickte behaglich mit dem Kopfe, und begann dann seine Erzählung.
„Ende der Achtzigerjahre hauste in der Mühle da drüben der reiche Sebastian Müller, gemeinhin der Müllerbaschi“ genannt, den ich noch gar wohl gekannt habe. Derselbe hatte die Mühle mit ihrer großen Kundsame und den vielen Gütern von seinem Vater ledig und eigen ererbt und von seiner Frau noch darüber hin eine hübsche Handvoll Kapitalbriefe erheiratet. Er galt daher als der reichste Mann im Lande weit und breit. Wer hat, dem wird gegeben. Das bewährte sich auch beim Baschi. Auf zwei Stunden im Umkreis wollten die reichen Bauern ihr Korn nur beim Baschi mahlen lassen und zwei Mühlwagen mit den stattlichsten Rossen bespannt, auf deren breiten Rücken ein Tropfen Wasser nicht abgeflossen wäre, mussten Tag und Nacht in die Kehr fahren, die zahlreichen, Mühlstumpen" zu holen und das Mehl wieder zu bringen. Dass Baschi bei dem Geschäfte weder arm noch mager geworden, versteht sich von selbst. Aber etwas anderes ist er geworden, und das war schlimm, nämlich: hochmütig und gewalttätig.
Schon damals, als ich noch jung war, regierte das Geld die Welt, wenn auch nicht so arg, wie heutzutage. Weil Baschi reich war, so hofierte man ihm hinten und vorne, wie es der Leute Brauch und Übung ist, auch dem nichtsnutzigen reichen Müßiggänger gegenüber. So wurde Baschi verwöhnt und meinte, mit Gewalt und Geld Alles durchsetzen zu können, was ihn gelüstete.
In seiner Nachbarschaft, in einem kleinen Steindachhäuschen dort drüben, wohnte damals ein armer, redlicher Mann, der Rütihans genannt, dessen Gütchen an die Hauswiese des Ersteren anstieß. Laut Kaufbrief hatte, dasselbe ein Wasserrecht aus dem Abfluss des Mühlenweiers; Baschi gab dem Abfluss eine andere Richtung. Darüber beschwerte sich der sonst friedliche und stets dienstbereite Nachbar, Rütihans und forderte Aufrechthaltung seines Rechts zum Wässern seiner Wiese. Aber Baschi, auf die Macht des Geldes vertrauend, verhöhnte das alte Recht des armen Nachbars. Rütihans, auf seine gute Sache und alte Übung sich stützend, suchte Hilfe beim Richter und so kam es zum Prozess. Ein solcher war damals noch eine weit kitzlichere Sache, als heutzutage. Die Junker in der Stadt regierten als Landvögte über die Untertanen auf dem Lande und sprachen so ziemlich nach Willkür Recht in den Streitsachen derselben, welche ihnen als die ergiebigste Bereicherungsquelle galten. Da war es eben mit dem guten Recht oft sehr schlimm bestellt. Das hat der arme Rütihans nur zu gut erfahren. So schlecht auch Baschis Handel war, so fand er doch für Geld und gute Worte einen Advokaten zu demselben. Schmieren und Salben half schon damals allenthalben. Der schlaue Rechtsverdreher liess sich vom Baschi bedeutende Summen Geldes auszahlen, unter dem Vorgeben, damit im Geheimen den Richter zu bestechen. Das Geld blieb in des Advokaten Sack. Der Handel wollte nicht abflecken und zog sich in die Länge. Schon hatte er Jahr und Tag gedauert und viele tausend Gulden verschlungen. Rütihans musste Schulden machen, die laufenden Kosten zu bezahlen. Er vertraute aber fest auf sein Recht und auf die zuversichtliche Voraussage seines Advokaten. Diese beharrliche Ausdauer des armen Mannes empörte Baschis Geldstolz, und er wurde umso versessener auf den Handel, je länger er dauerte. Ein trauriges Zwischenereigniss, das großes Herzenleid über die beiden streitenden Parteien gebracht, war ganz geeignet, die Leidenschaftlichkeit des Streites aufs höchste zu steigern.
Der Müller hatte ein einziges Töchterlein. Sein Leben hatte der Mutter das ihrige gekostet. Des Müllers Schwester, die Elisabeth, hatte das Kind auferzogen in aller Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht und es war herangewachsen, schlank wie eine Tanne und hübsch wie ein Engel. Ein schöneres Mädchen sah man nicht auf viele Stunden im Umkreis, als das Müllerröschen war, Ein Gesichtchen hatte es Euch wie Milch und Blut und blaue Äugelein so hell und klar, wie der Morgenstern. Es ist mir, als sehe ich es noch jetzt vor- Augen, und war ich doch damals noch ein ganz kleiner Bub. Aber wenn das Müllerröschen zur Kirche ging in unserer alten, ehrbaren Landestracht, in der dichtgefalteten kurzen Jüppe mit den fast auf den Boden reichenden hellblonden Zöpfen, der festanliegenden Spitzenkappe, dem blendendweißen Hemd, dem zierlichen Brusttuch und der bunten Schütze, da standen Euch nicht nur die Buben, sondern auch alte Mannen und Frauen still und schauten mit Wohlbehagen dem bildschönen Maidli nach. Was Wunder, wenn Röschen neben seinen Gülten (Kapitalbriefen) und Rossen des Müllers größter Stolz war? Es schmeichelte seiner Eitelkeit, als eine Menge Freier von nah und fern angefahren kamen, um sich in der Mühle ein zierliches Körbchen zu holen.
Der Baschi hatte für sein Röschen schon gewählt. Dasselbe sollte den einzigen Sohn des Untermüllers im benachbarten Städtchen heiraten. So war es - zwischen den Alten- schon abgekartet. Da stieß aber Baschi bei dem sonst so folgsamen Röschen auf unverhofften Widerstand. Das Mädchen erklärte entschlossen, sein Herz habe schon gewählt, es könne den Müllersohn nicht heirathen. Da wollte Baschi wissen, wen denn? Aber sein Kopf wurde rot wie der eines welschen Hahns und seine Zornadern an der Stirne schwollen an, wie ordentliche Stricke, als Röschen mit zitternder Stimme den Friedli nannte, den Sohn seines Widersachers, des armen Rütihans. Von Jugend an war der stille, brave Friedli Röschens Spielgenosse gewesen. Im frischen, grünen Wald, am klaren Mühlbach, in Feld und Wald, waren hundert und hundert heimliche Plätzchen, welche das harmlose Glück ihrer goldenen Kinderjahre gesehen. Alljährlich wenn der Austagen (Frühling) kam und neues Leben brachte in die Natur, da sammelten sie duftige Veilchen im sprossenden Gras, liebliche Schneeglöcklein und stolze Sternblumen; wenn dann der lustige Maien Blüten an Blüten hing an Busch und Baum, da wussten sie manch still verborgenes Vogelnestchen, und freuten sich innig am Gedeihen der jungen Brut, ohne aber jemals selbe unbarmherzig auszunehmen und zu quälen. Im Bache fütterten sie mit Brosamen die scheuen blitzschnellen Forellen, die indessen gegen die Kinder ganz zu traulich taten. Der Sommer brachte manch gesegneten Erd- und Heidelbeerschlag im Wald, manch trauliches Plätzchen in seinem kühlen Schatten, wo auf sorglich zusammengelegter Steinbank die Kinde, sich in holder Einfalt, hübsche Märchen und Geschichten erzählten. Im Herbste dann, wenn alle Bäume voll roter Äpfel und schmackhafter Birnen gingen, da lebten sie vollauf wie die Vögel im Haussamen. Da kam die glückliche Zeit des Weidganges. Wenn sich der Buchen Blätter rötlich färbten und ein kühler Wind sie rauschend zur Erde blies, da wärmten Röschen und Friedli sich behaglich am Hirtenfeuer und brieten sich schmackhafte Äpfel und Kastanien in der heißen Asche. So hatten hundert und hundert süsse Jugenderinnerungen die Herzen der Kinder verbunden, und die harmlose Kinderfreundschaft hatte sich mit den Entwicklungsjahren unvermerkt zur starken Macht der ersten Liebe umgewandelt. Den Friedli zum Manne, oder sonst keinen, so stand es fest in Röschens entschiedenem Gemüte. Das hatte die Tochter ihrem Vater erklärt. Der aber spie Feuer und Flamme. Stehen solle die Mühle zu einem Schutthaufen werden und Geld und Gut nach allen Winden verfliegen, als dass er sein einzig Kind dem Bettelbuben gebe, so hatte Baschi geschworen. Es kamen schwere, trübe Tage für das Müllerröschen. Mit Schmeicheln und Drohen hoffte der geldstolze Vater seines Kindes festen Sinn zu brechen und seinen Entschluss zu kehren. Aber, Röschen hielt fest an seiner Liebe. Da schwur Baschi, dem Ding müsse abgeholfen werden und brütete Arges in seinem Sinne. Er bestach seine beiden Knechte mit schwerem Gelde, in einer finstern Nacht dem Friedli aufzupassen und den Jüngling lahm zu schlagen. Der Mordanfall wurde ausgeführt. Friedli wehrte sich wie ein Verzweifelter und da er sah, dass er den Kürzeren ziehen müsse, zog er sein Messer und verwarnte die Angreifer, dass er davon Gebrauch machen werde, wenn sie nicht von ihm abließen. Die rohen Burschen verhöhnten ihr Opfer und vermeinten, bald mit ihm fertig zu werden. Da stieß Friedli dem Heiri das Messer in den Bauch. Mit dem Rufe: „Jesus, Maria und Sankt Joseph, ich habe einen Stich, sank der Getroffene zu Boden. Da, ergriff der andere Knecht feig die Flucht. Vergebens versuchte Friedli, die Blutung seines Feindes zu stillen. Nach wenigen Minuten war er verschieden, nachdem er noch Friedli Baschis Aufstiften bekannt gemacht und ihn um Verzeihung gebeten hatte.
Mit Entsetzen blickte der schuldlose Mörder auf die blutige Leiche zu seinen Füßen. Der Schreckensruf: Mörder! Mörder ertönte wie die Posaun. des Jüngsten Gerichts in seinen Ohren. Der teure heimatliche Boden begann wie Feuer zu brennen unter seinen zitternden Füßen. Mit eiskaltem Angstschweiß bedeckt, eilte er heim, erzählte der Mutter, was vorgefallen, übertrug ihr seine letzten, heißen Grüße an die Jugendgeliebte, mit der Erklärung dass er in den Krieg gehe und niemals wieder heimkommen werde. Dann bat er die Mutter um den Segen und unter bitteren Tränen um Vergebung für all das Herzeleid, das sie noch seinetwegen ausstehen müsse. Dann eilte er wie eine angeschossene Gämse mit Windes schnelle von dannen. Bald hatte er die Kantonsgrenze erreicht und überschritten. In Solothurn fand er einen Werber, der dem schmucken Burschen mit tausend Freuden ein hübsches Handgeld nach Frankreich in den Krieg gab. Damals war im Franzosenland eben die Revolution aus gebrochen und der König brauchte Leute. Was Friedli in stillem Herzensgrund sehnlichst gewünscht, das fand er bald. In der Tuilerienschlacht am heißen 10. Aug 1792. setzte er mit einem Häufchen Kriegskameraden der zehnfachen Übermacht der Revolutionsmeute den heldenmütigsten Widerstand entgegen und kämpfte auf der hohen Freitreppe des stolzen Königspalastes wie ein Löwe für den fremden König, dem er Soldatentreue geschworen. Da schlug eine Feindeskugel ihm in den rechten Oberschenkel. Ein Kamerad wollte ihn aus dem Feuer tragen. Friedli wehrte es: Thue du deine Pflicht und schiess zu, mich lass sterben. Sitzend lud er aufs Neue sein Gewehr und brachte noch manchem Stürmer den sicheren Tod, bis endlich eine neue Kugel Friedli ins Herz traf und ihn einen ehrlichen Soldatentod sterben ließ.
Daheim glaubte Baschi mit Röschen nach Friedlis Flucht gewonnen Spiel zu haben, und der Tod Heiris machte dem Ränkeschmid keine Gewissensbisse. Aber er täuschte sich. Röschen blieb fest bei dem Entschluss, weil es den Friedli nicht bekommen, keinen andern Mann zu nehmen. Umsonst waren des Vaters Bitten und Drohungen. Eines Morgens war Röschen in der Mühle verschwunden. Sie hatte sich der Lisebeth geoffenbart, dass sie nach Rathausen ins Kloster gehe, sie möge ihr zu ihrem Muttergut als Aussteuer behilflich sein. Das wollte freilich Baschi nicht tun, bis er endlich durch den Landvogt dazu musste gezwungen werden. Jetzt schimpfte Baschi über selben im Rausch in den Wirtshäusern. Das war dem Vogte eine gemähte Wiese. Er büßte den reichen Müller um viele tausend Gulden und zwang ihn noch obendrein zur öffentlichen Abbitte. Das brach mit des Kindes Flucht des harten Mannes stolzes Herz. Seinen Ärger und Verdruss zu vergessen, ergab er sich dem Trunke und trügerischem Würfelspiele. Listige Spieler hatten es bald weg den Baschi erst trunken zu machen und ihm dann im Rausche große Summen abzuspielen. Unterdessen hatte Baschi das volle Gewicht seiner glühenden Rache auf den Rütihans fallen lassen. Zu diesem Zwecke hatte er emsig alle Schulden des armen Mannes, in die derselbe wegen des Prozesses hineingeraten war, aufgekauft, und hatte ihn dann, mit deren Titeln auf der Hand, schonungslos, auf die Gant getrieben, auf der er des Rütihansen Gütlein um ein Spottgeld an sich brachte. Jetzt hatte der Jahrelange Prozess ein Ende. Als Rütihans mit Weib und Kind das alte Erbe seiner Väter verlassen musste und Müllerbaschi hohnlachend aus dem Fenster seinem Wegzug zusah, da hob der arme Mann im Vorgefühl des erlittenen Unrechtes seine Rechte zum Himmel empor und sprach mit feierlicher Stimme: Verflucht, Müllerbaschi, ist deine Tat, sie wird dir darum auch nur Unheil bringen, Und so war es auch. Mit des Müllers unermesslichem Reichtum ging es mit Riesenschritten bachab. Gültbrief um Gültbrief verschwand aus seiner Truhe. In der Mühle, in Haus und Stall war kein Segen mehr. Unterdessen war Röschen, nachdem sie das gesetzliche Noviziat, mit musterhafter Ausdauer, aller seiner schweren Prüfungen wohl bestanden, Klosterfrau geworden. Lisabeth, nachdem sie den sichern Ruin ihres unglücklichen Bruders klar vor Augen gesehen hatte ihr Vermögen testamentlich für eine ewige Jahrzeit für ihn und sich, sowie zur Ausbesserung der Kirche vermacht und den Rest dem Kloster Rathausen geschenkt. Gnädig erlöste sie bald darauf ein sanfter Tod von dem Jammeranblick ihres elenden Bruders. Nachdem er Geld und Gut verschleudert, kam er nur zu bald auch um Hof und Heim. Die Mühle hatte längst der projektierte Tochtermann an sich gebracht. Baschi wohnte nun drüben in Rütibansens Häuschen. Aber das böse Gewissen, das nun mit aller Macht erwachte, ließ ihm darinnen keine Ruhe. Umsonst versuchte er, dessen Mahnerstimme im Branntwein zu ersäufen. Es gelang nur auf kurze Stunden. Im wüsten Katenjammer erwachte sie des andern Morgens mit nur umso stärkerer Macht wieder. Allmälich sank der einst wegen seines Reichtums so sehr beneidete und gefeierte Mann zum gemeinen Schnapssäufer herab und damit auch immer tiefer und tiefer in der Verachtung des Volkes, das so gerne in gleichem Atemzuge Hosianna und Kreuzige ruft. Mit Schadenfreude sahen seine heimlichen Neider diesen Fall. Endlich war Baschis Maß voll und es ging mit ihm zu Ende, Vom Schnapsgeist übervoll; wankte er in einer finstern Nacht fluchend und lärmend seiner ärmlichen Hütte zu. Dort unten führte der Weg ihn über den schmalen Steg des Mühlenbachs. In seinem Rausche verfehlte, er das sonst wohlbekannte Brett, und stürzte in seinem unbehilflichen Zustande kopfüber in den hoch angeschwollenen Bach. Den andern Morgen zog man ihn als grässlich entstellte Leiche aus dem Wasser. Bei seinem Leichgange sprachen diejenigen am lautesten über ihn ein hartes, liebloses Urteil, welche vor wenig Jahren ihn wegen seines Reichtums und Geldglanzes vergöttert hatten und vor ihm gekrochen waren. So ist der Menschen eitler Wandelsinn dem äußern eitlen Scheine meistens zugetan. Bald hiess es, der Müllerbaschi habe selbst im Grabe keine Ruhe, er geiste in der Mühle unten. Etwas muss an der Sache gewesen sein, denn bald darauf verkaufte der neue Müller den einst so einträglichen Erwerb um einen Spottpreis wieder. Aber trotz des wohlfeilen Kaufes konnte sein Nachfolger nicht auf der Mühle bestehen. Es war, als wenn ein unsichtbarer Fluch auf selber hafte. Die, Geistermühle, wie die Leute sie nun heißen, war weil und breit in Verruf gekommen, Niemand wollte in derselben mehr sein Korn mahlen lassen, Niemand Mehl aus derselben kaufen. Der Müller musste trotz seines Fleißes und seiner Häuslichkeit dabei zu Grunde gehen. Der ganze, große, weitläufige Gewerbe kam auf die Gant. Die Güter wurden verstückelt, die, Geistermühle wollte niemand.
Sie blieb unbewohnt und zerfiel, wie bereits schon beschrieben worden. Bis auf den heutigen Tag wird sie von allen Bewohnern der Umgebung mit unverhohlener Scheu gemieden. Wen der Weg notgedrungen Nachts nach Betglockenläuten an ihr vorüberführt, der schlägt andächtig drei Kreuze in den drei höchsten Namen der Heiligen Dreifaltigkeit und spricht mit Inbrunst halblaut vor sich hin: Alle guten Geister loben den Herrn. In unseren aufgeklärten Zeiten, in denen der Unglaube so sehr floriert, will zwar seit langem niemand mehr den Müllerbaschi mit der weißen Zipfelkappe in der Mühle oder dem Bach entlang gesehen haben. Ich aber glaube dem Mauserkaspar der ihn gesehen hat und aus dessen Mund ich es selbst gehört habe.
So hat der Greis mir erzählt und am Ende mit Salbung hinzugefügt: „Unrecht Gut tut niemals gut! Das hat der Müllerbaschi schwer genug erfahren. Möge seine Seele endlich erlöst sein!“
„Und aus dem Rütihans“, frag ich, „was ist aus dem geworden?“ „Das weiß Niemand hier zu Land. Wie er weggezogen, hieß es noch Jahr und Tag, er sei über den großen Bach nach Amerika, und dort drinnen ein großer Bauer geworden. Gewisses aber hat man nie erfahren und bei uns ist er ganz verschollen“.
„Und das Müllerröschen lebt das noch im Kloster?“
„Ach nein“, entgegnete mit einem Seufzer und sichtlicher Rührung der Greis, „der liebe Gott hat es bald nach dem traurigen Ende seines unglücklichen Vaters versorget. Dasselbe ging der frommen Klosterfrau so sehr zu Herzen, dass sie die Auszehrung bekam und daran gestorben ist“.
Das ist, die Geschichte von der „Geistermühle“ in der romantischen Talschlucht mitten in dem schönen Luzernergäu. In ihrem ergreifend wehmütigen Verfall steht sie da als warnendes Denkmal gegen Unrecht, Prozesssucht und Missbrauch väterlicher Gewalt. Möge ihr Anblick heilsam und von guter Wirkung sein.
 
Quelle:
An dieser Stelle herzlichen Dank für den super Service an Herrn Philipp Föhn, Mitarbeiter Zuger Sammlung und Dokumentation Bildungsdepartement, Bibliothek Zug St.-Oswalds-Gasse 21, 6301 Zug, www.bibliothekzug.ch

Die Illustrationen stammen aus einer Bildstrecke der Buchenmühle in Schwarzenburg BE, die der Autor im Mai 2016 machen konnte.
 
 
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