Ausblick
Von
den zahlreichen Einrichtungen, die das Wasserrad und später die Turbine in der
Knochenstampfe schon betrieben haben, sind heute nur noch die Stampfe mit der
Brechmühle, der Kollergang, eine Gerstenmühle, der elektrische Generator und
der Aufzug im Betrieb. Die Flachs- und Hanfreibe wie auch die Walkerei sind
verschwunden. Die alte Ölpresse liegt verstaubt und von Spinnnetzen überzogen
da, und auch das Rührwerk mit der Feuerstelle für die Ölgewinnung steht seit Jahren
still. Die Stampfe aber ist täglich von morgens früh bis abends spät in Betrieb
und bildet heute den wichtigsten Teil des Betriebs. Vorläufig finden sich immer
noch Abnehmer, die gerne mit Knochenmehl düngen. Aber die junge Generation wird
auf den landwirtschaftlichen Schulen angeleitet, von den Genossenschaften chemische
Kunstdünger zu beziehen, welche eine bedeutend stärkere Konzentration an
Stickstoffen (bis zu 41%) und an Phosphaten aufweisen und somit rascher und
kräftiger wirken. Knochenmehl hat einen geringeren Anteil an Phosphaten (etwa
20%) und nur etwa 4% Stickstoff; der Rest besteht aus Kalk, Harnstoffen, Fetten
und Leim. Einen Vorteil weist das Knochenmehl allerdings auf: Die Körner
zerfallen nur langsam, und somit hält die Düngung über mehrere Jahre an. Auch
ist die Gefahr der Bodenverbrennung durch zu starke Konzentration und damit der
Bodenauslaugung nicht vorhanden, was sich besonders in trockenen Jahren günstig
auswirkt. Die oft genannte Gefahr der Seuchenverschleppung durch Ausstreuen von
infiziertem
Knochenmehl
hat sich in dieser Gegend bis heute, auch während der starken Seuchenepidemien,
nicht erwiesen.
Ernst
Maurer verkauft sein Knochenmehl zu 32 Franken pro 100 kg. Das Mehl aus
besonders sauberen Knochen kann er als Zusatz für Hühnerfutter für 36 Franken
verkaufen. Im Zusammenhang mit
(p 22)
der
jüngsten Entwicklung auf dem Gebiet der Produktion von biologischem Obst und
Gemüse scheint es mir nicht ausgeschlossen, dass mit dem vermehrten Wunsch der
Käuferschaft nach solchen Produkten auch die Nachfrage nach biologischen
Düngern, wie dem Knochenmehl, wieder etwas ansteigt.
Wie
steht es mit der Nachfolge auf der Stampfe? Der eine Sohn Maurers hat den
Bauernhof übernommen und ausgebaut, der andere lernte ursprünglich den Beruf
des Sägers und arbeitete auf der väterlichen Sägerei, wurde dann aber von
Lungenbeschwerden geplagt, bis ihm der Arzt riet, den Beruf zu wechseln. Er
absolvierte eine kaufmännische Lehre und arbeitet jetzt in einem Thuner
Betrieb. Er könne ja seine Söhne nicht zwingen, den Betrieb zu übernehmen, und
er begreife ihre Gründe auch, meinte Ernst Maurer etwas resigniert, aber er
hätte sich noch lange für seine Mühle gewehrt. Einige Knochenstampfen sind nach
dem Krieg durch teure, hydraulische Einrichtungen ersetzt worden; aber deren
Besitzer haben für die Amortisation und den Unterhalt nicht aufkommen können,
und so ist ein Kleinbetrieb nach dem andern eingegangen. Geblichen sind nur
noch die grossen Konzerne wie die Geistlich AG in Aarburg. So scheint es, dass
Angebot und Nachfrage gleichzeitig zu Ende gehen und damit eine jahrhundertealte
Tradition und Gewohnheit verschwindet. Die Herstellung von Knochendünger hat
von der reinen Stalldüngung übergeleitet zur Kunstdüngung und ist von dieser
heute fast vollständig abgelöst worden11.
Abkürzungen:
Id.
= Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Frauenfeld
1881 ff.
Gr.
= Grimm, Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854 ff.
Fussnoten:
1 Nach Id. 4, 1162 und Gr. 1, 1378: Kaufbeil
altes Wort für Kaufvertrag. Als Kaufbeile wurden ursprünglich die gekerbten
Hölzer bezeichnet, die Käufer und Verkäufer nach abgeschlossenem Handel
erhielten.
2 Aus einer dieser Kaufbeile erfahren
wir, dass die Mühle samt Wohnhaus und Umschwung im Jahr 1761 für 805 Gulden
verkauft wurde. Nach Auskunft der Münzen- und Medaillen AG Basel war der Gulden
in der Schweiz eine Geldeinheit, mit der nur gerechnet, die aber nie geprägt
wurde. Er galt 60 Kreuzer. Der genannte Preis dürfte zu dieser inflationären
Zeit etwa dem doppelten Jahresgehalt eines mittleren Beamten entsprochen
haben.
3 StöckIi = kleines Wohnhaus neben dem
Bauernhof. Vor allem im Kanton Bern besteht zum Teil noch heute der Brauch,
dass die Eltern nach der Hochzeit des Erben ins Stöckli übersiedeln.
4 Vgl. Gr. 5, 107: Chämme = hölzerne
Zähne.
5 Nach Albert Neuburger, Technik des
Altertums (Leipzig 1919) passim, kann es sich um eine im Prinzip schon zur Römerzeit
verwendete Presse handeln.
6 Vgl. über Ölpressen: Paul Hugger: Une
huilerie vaudoise, Heft 23 der Reihe «Sterbendes Handwerk, Basel 1969.
7
Dialekt: «schluderet».
8 Vgl. Id. 4, 44a, 1117: andere
Bezeichnungen für Sefi:
Sebi, Seffi, Sabe, Sevebaunm
Lat.:
Juniperus Sabina. Häufig in der Volksmedizin als Abortcivmittel verwendet.
9 Nach Gr. XI 12,
539: «Trimelle» — Trichter an der altdeutschen Mühle, unmittelbar über dem Mühlstein.
Sie dient zur Aufschüttung und gleichmassigen Zufuhr des Mahlgutes in das
Mahlwerk.
10 Nach Id. 3, 571: «chüttele»
Verkleinerungsform von «chutte». Sanft wehen, säuseln, z.B. vom Föhn. Der Wind
«chüttelet» im Meer. Wahrscheinlich wird mit «chüttele» auch die Bewegung des
Rüttelsiebs bezeichnet. Ernst Maurer deutet das Wort allerdings ganz anders: Er
sagt, was im Sieb hängen bleibt, werfe er zum «Chüder» = Berndeutsch für
Kehricht), daher nenne er es «Chüttel».
11 Der einsprechende Film wurde im Sommer
1970 vom Filmstudio 2 S in Thun gedreht (Irene Siegenthaler und Otto R. Strub).
Produktion: Paul Hugger. Photos: Matthias Brefin, Liestal, mit Ausnahme von
Abbildung 1 (Filmstudio 2S, Thun).
Zeichnung A.. 10: Hans Wyss, Steffisburg.
Weiter
Hinweise:
Bauinventar
Kanton Bern: https://apps.dynasphere.de/0001/report/rep_OBJEKT_bauinventar_231599.pdf
Dank:
Die
nummerierten Abbildungen entsprechen den Abbildungen in der Originalpublikation.
Die Abbildungen ohne Nummern stammen aus dem Fundus von Matthias Brefin, der
mir freundlicherweise die Negative zur Verfügung stellte. Herzlichen Dank an
dieser Stelle.
Der Nachdruck geschieht © mit freundlicher Genehmigung der Schweizerischen
Gesellschaft für Volkskunde (SGV) vom 2.
März 2021. Auch hier einen herzlichen Dank.